Julia Collection Band 51
hatte die für gewöhnlich kühl erscheinende Sekretärin des Präsidenten nie zuvor eine Bitte aussprechen hören. Aber sie sprach nicht für sich selbst, sie tat es für Michael.
„Ich weiß nicht …“ Oh, wie sehr wünschte sie, einfach Ja zu sagen. Aber sie konnte nicht hoffen, weil sie wieder eine neue Enttäuschung erwartete.
„Sprechen Sie doch zumindest mit ihm, Sophia. Das kann doch nicht schaden. Er weiß, dass er Unrecht getan hat, fürchtet jedoch, von Ihnen abgewiesen zu werden. Gehen Sie zu ihm, Sophia. Vergeben Sie ihm.“
Sophia konnte kaum das Lachen verbergen. Als sie in der Damengarderobe in der Lobby des Barringtongebäudes in das Postboten-Kostüm schlüpfte, das sie sich bei einem Kostümverleih ausgeliehen hatte, klopfte ihr Herz wie wild. Sie zog den Hut weit in die Stirn und nahm das große Paket auf, das allerdings nur ein paar hundert Gramm schwer war. Sorgsam achtete sie darauf, dass das Paket ihr Gesicht verdeckte.
Um ihre Nerven zu beruhigen, atmete sie auf dem Weg zum Aufzug tief durch. Sie hatte Angst. Unsagbare Angst. Allein zu sein auf dem Pfad der Liebe, war nichts für Feiglinge.
Aber sie liebte Michael. Und Mike. Sie liebte beide Seiten an ihm. Den hart arbeitenden vernünftigen Versorger und den lustigen, wilden Motorradfahrer.
Sie verließ den Aufzug und ging an Mildreds Schreibtisch vorbei.
„Einen Moment, Miss. Sie können da nicht hinein.“ Der Wachhund Mildred sprang auf.
Als sich Sophia umdrehte, trafen sich ihre und Mildreds Blicke. „Gehen Sie nur hinein“, sagte Mildred, die plötzlich Mühe hatte, sich das Lachen zu verkneifen.
Sophia hob das Paket noch ein wenig an, damit ihr Gesicht vor Michaels Augen total verborgen blieb. Dann stieß sie die Tür zu seinem Büro auf.
Michael wandte ihr in seinem Sessel den Rücken zu. Er hielt die Arme hinter dem Kopf verschränkt.
Sophia senkte die Schachtel ein wenig. „Ein Paket für Michael Barrington“, sagte sie in breitem Dialekt, wobei sie versuchte, die Stimme Mikes, des Postmannes nachzuahmen.
„Stellen Sie es auf den Tisch“, ordnete er an, ohne sich auch nur umzudrehen.
„Sie müssen unterschreiben.“
„Dafür ist meine Sekretärin zuständig.“
„Ich habe keine gesehen.“
„Oh, was soll das denn nun wieder?“ Michael seufzte. „Mildred?“
Endlich drehte er sich mit seinem Stuhl um und sah Sophia an. „Geben Sie her.“
Plötzlich wurde ihr ganz flau im Magen. Zweifel plagten sie. Wenn er sich nun über ihren Trick ärgerte?
Aber weder in seiner Rolle als Michael noch als Mike hatte sie ihn jemals zornig erlebt. Dennoch, sie fühlte sich verunsichert.
„Oh“, sagte er leichthin, als er ihr das Paket abnahm, und seine Fingerspitzen die ihren berührten.
„Ja?“
„Das Paket ist überraschend leicht.“
Dann erst schaute er ihr ins Gesicht. Sophia hob den Blick, um ihm in die Augen zu sehen.
Sein Blick machte sie verlegen. Ihre Hände zitterten vor Aufregung und Erwartung.
„Sophia“, flüsterte Michael und ließ die Schachtel auf den Schreibtisch fallen.
Sophia grinste. „Nein“, sagte sie. „Ich bin die Christel von der Post.“
Nun lachte auch Michael. „Von der Post?“
„Ja. Aber Sie brauchen sich nicht erst an mich zu gewöhnen. Ich bin ein Vagabund und vogelfrei. Ich wechsele häufig die Stelle.“
„Hmm.“ Michael strich sich übers Kinn. „Ich bin nicht sicher, ob ich Ihnen glauben kann. Sie sehen eher aus wie meine ehemalige Assistentin Sophia Shepherd.“
Sophia winkte ab. „Ach die. Nein, die hat sich für immer verabschiedet. Sie nimmt alles viel zu genau, kann nicht verzeihen.“
Kann es wahr sein, staunte Michael. War Sophia gekommen, um ihm eine zweite Chance zu geben? Hoffnung erwachte in seinem Herzen.
Er nahm ihre beiden Hände in seine und zog Sophia an sich. „Lassen Sie sehen, ob wir herausfinden, was aus unserer Sophia geworden ist.“ Zärtlich nahm er ihr den Hut ab. Blonde Locken lösten sich, umschmeichelten ihre Schultern. Sie sah bezaubernd aus.
„Sie sehen aus wie Sophia.“
„Das bin ich aber nicht. Sophia ist zu unsicher.“
„Nein, sie ist zäh und stark. Ein Mädchen, das an seinen Prinzipien festhält.“
„Zu ihrem eigenen Nachteil.“
„Lassen Sie sehen, ob Sie auch schmecken wie Sophia.“ Michael genoss das Spiel, legte ihr einen Finger unter das Kinn. Zögernd senkte er den Kopf und hauchte einen Kuss auf ihre Lippen. Es funkte augenblicklich.
„Sie schmecken wie Sophia.“
„Zufall.“ Sophias Atem
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