Julia Collection Band 55 (German Edition)
du glaubst ernsthaft, dass die Zeitungen es nicht erwähnen werden, wenn der jüngste Direktor von Derring’s sich mit einer Angestellten, die nichts weiter trägt als ein dünnes Nachthemd, im Schaufenster zeigt?“
Charles stützte die Ellbogen auf den Tisch. „Wir werden doch nicht in einem Stundenhotel überrascht werden. Der Witz ist doch gerade, dass es sich um ein öffentliches Schauspiel handelt und dass dies auch jeder weiß. Da gibt es keine Heimlichkeiten zu entdecken. Und mein Vater wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass ich einer der begehrtesten Junggesellen der Stadt bin. Er denkt, wir könnten aus meinem Ruf zusätzliches Kapital schlagen. Das gefällt mir zwar nicht, aber er hat wahrscheinlich recht.“
„Na gut, aber was ist mit meinem Ruf?“
Charles runzelte die Stirn. „Du denkst, dass es deinen Ruf ruinieren könnte, wenn man dich in einem Schaufenster zusammen mit mir sieht? In einem Pyjama von Derring’s? Vor den Augen von Zeitungsfotografen und Hunderten von Zuschauern? Glaubst du, sie würden dich deshalb für ein gefallenes Mädchen halten? Mal abgesehen davon, dass es heutzutage so etwas wie ein gefallenes Mädchen gar nicht mehr gibt, glaube ich eher, dass alle interessanten Männer in der Stadt von dir träumen werden. Nach Weihnachten wirst du die freie Auswahl haben und kannst deinen langweiligen Professor in die Wüste schicken!“
Der Kellner brachte Club-Sandwiches, aber Jennifer war viel zu durcheinander, um etwas essen zu können.
Charles betrachtete sie eindringlich, und seine Gesichtszüge entspannten sich. „Schau, ich weiß doch, wie du dich fühlst. Ich tue es ja selber auch nur widerwillig. Und du machst dir wegen deines Professors Gedanken. Um die Wahrheit zu sagen, meiner Freundin habe ich auch noch nichts gesagt. Wahrscheinlich wird sie sich totlachen! Wir wären doch beide lieber mit unseren jeweiligen Partnern zusammen, als zwölf Stunden am Tag in einem Schaufenster eingesperrt zu sein. Aber wir sind beide nur Angestellte des Kaufhauses, und in diesem Fall ruft uns die Pflicht. Also überleg es dir bitte noch einmal. Lass dir ruhig bis morgen Zeit, aber dann brauche ich deine Antwort.“
Jennifer nickte. „Na gut.“
„Ich kann nur hoffen, dass du zusagst.“
„Wieso bloß? Es gibt doch genügend andere Frauen hier, die viel schicker sind als ich und die sofort auf dein Angebot fliegen würden. Ich bin doch bestimmt nicht die einzige deiner Angestellten, die schlank ist, ein hübsches Gesicht und eine gute Ausstrahlung hat. Warum suchst du nicht eine aus, der es Spaß machen würde?“
Für einen Moment senkte Charles seinen Kopf. „Wie ich dir schon vorhin erzählt habe, war ich erleichtert, als ich hörte, dass du ausgewählt worden bist. Ich denke, du bist die einzige Person im ganzen Kaufhaus, mit der ich eine Woche lang zwölf Stunden pro Tag zusammen sein könnte.“
„Warum?“
Er schien darüber nachdenken zu müssen. „Nun, erstens wird es mit dir niemals langweilig.“
Jennifer war überrascht. Sie hatte immer angenommen, dass sie sich neben seinen eleganten, bildschönen Freundinnen eher wie eine graue Maus ausnahm.
„Und“, fuhr er nach einem Augenblick fort, „bist du nicht der Typ Frau, der andauernd versuchen würde, mich zu verführen. Das geht mir nämlich schrecklich auf die Nerven. Es ist nicht so einfach, reich zu sein und einem Unternehmen vorzustehen. Manchmal komme ich mir vor, als ob ich auf einem Präsentierteller lebe. Bei dir kann ich mir sicher sein, dass du keine Hintergedanken hegst, denn du behandelst mich wie einen ganz normalen Menschen. Ich mag es, wenn du mir widersprichst. Und unsere kleinen Streitereien damals habe ich auch sehr genossen. Es war fast so, als ob du meine Schwester wärst. Ich habe zwar eine richtige Schwester, aber seit sie nicht mehr in Chicago lebt, sehe ich sie so gut wie nie. Manchmal denke ich, dass du ihren Platz eingenommen hast. Darum würde ich dich gern für den Job im Schaufenster haben. Dann könnten wir unsere schwere Last gemeinsam tragen. Bitte überlass mich nicht irgendeiner fremden Frau, der ich nicht vertrauen kann.“
Seine Offenheit beeindruckte Jennifer derart, dass sie sich fast schuldig vorkam, so viel Wirbel um die Sache gemacht zu haben. „Ich werde es heute Abend mit Peter besprechen.“
„Okay. Aber ich möchte, dass es wirklich deine Entscheidung ist und nicht seine.“
„Aber ja.“ Doch Jennifer plagte das unbestimmte Gefühl, dass dies einfacher
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