Julia Collection Band 61 (German Edition)
gespielt?“
„Ich wollte Klavierspielen lernen. Aber mein Vater meinte, das hätte keinen praktischen Nutzen in der Geschäftswelt. Außerdem hatte ich den Verdacht, dass er es für nicht sehr männlich hielt.“
Annie lachte laut los. „Lassen Sie das nicht meinen Bruder Ryan hören. Der spielt alles, was ihm unter die Finger kommt. Er ist so gut, dass er immer wieder engagiert wird. Dabei ist er alles andere als unmännlich. Er war Quarterback in einem Footballteam und ist jetzt bei der Feuerwehr in Cambridge. Er ist sehr beliebt.“
Nick stellte fest, dass Annie ganz lebhaft wurde, als sie von ihrem Bruder sprach. Offenbar liebte sie ihre Familie. Ihre Augen leuchteten, und sie rutschte auf dem Sofa hin und her.
Das steigerte seine Erregung noch.
Er würde mit Freuden einen Monat seines Lebens hergeben, wenn er sie nur einmal küssen könnte. Wie gern würde er mit seinen Händen durch ihr lockiges Haar streichen, ihre seidige Haut berühren und sie an sich ziehen. Unglaublich, wie sehr er sie begehrte!
Annie winkte ab. „Musik brauchen wir auch nicht unbedingt. Zur Not kann ich selber singen. Doch ohne Bier geht es wirklich nicht. Ohne Drinks kommt keine irische Party aus.“
„Tut mir leid. Ich fürchte, Bier ist auch nicht im Haus.“
„Dann mögen Sie auch kein Bier? Mein Vater würde Sie als Ketzer bezeichnen.“ Annie lachte, und ihre grünen Augen blitzten vor Vergnügen.
„Wollen wir vielleicht eine Partie Schach spielen?“
„Ich kann leider nicht Schach spielen. Wie wäre es mit Schwarzer Peter?“
„Schwarzer Peter?“
„Dazu braucht man ein Kartenspiel.“
„In diesem Haus gibt es keine Karten.“
„Ach du Schreck! Ein Haus ohne Karten und ohne Bier. Das ist ja trostlos.“
Nick musste lachen. „Sie sind wirklich unmöglich. Aber Sie haben recht. Ich muss bisher in einer ziemlich öden Welt gelebt haben. Zumindest muss es Ihnen so vorkommen.“
„Nein, das würde ich nicht sagen.“
Annie lächelte, und es durchrieselte Nick heiß.
„Sehen Sie sich doch um. Sie leben in einem wunderschönen Haus auf einer exotischen Insel mitten in der Karibik. Sie können mit Ihrem Privatflugzeug jederzeit überall hinfliegen. Und wenn Sie gerade nicht auf Reisen sind, können Sie sich mit Ihren Delfinen unterhalten und mit ihnen spielen. Das ist doch keineswegs langweilig.“
Wenn er seine Welt durch ihre Augen sah, dann war sie tatsächlich nicht mehr so grau und öde. Aber er sehnte sich nach mehr Bewegung, nach mehr Farbe, nach mehr … Annie.
Schon ihr zuzuhören war ein reines Vergnügen. Sie hatte eine Stimme, die ihn einhüllte wie warmer Samt.
„Wie wäre es, wenn wir uns einfach unterhalten? Auch so kann man die Zeit herumbringen.“ Vielleicht musste er dann nicht mehr dauernd an ihren verlockenden Körper denken.
„Meinetwegen. Aber worüber?“ Annie dachte kurz nach, dann strahlte sie über das ganze Gesicht. „Ich weiß. Wir erzählen uns Geschichten.“
„Was für Geschichten?“
„Gruselgeschichten. In einem Haus ohne Strom und mit geheimnisvollen Schatten, die von der Kerosinlampe und den Kerzen an die Wände geworfen werden, kann man sich eigentlich nur Gruselgeschichten erzählen.“
Nick setzte sich neben sie auf das Sofa. „Ich kenne keine Gruselgeschichten.“
„Was? Was haben Sie denn für eine Erziehung gehabt?“
Wieder lachte sie, und ihre Augen funkelten. Doch dann warf sie einen Blick über seine Schulter und erstarrte. Nick drehte sich um, um zu sehen, was sie erschreckt hatte.
Es war das Foto von Christina.
Er stand auf und nahm es hoch. „Es gibt ein paar Gruselgeschichten, die man lieber nicht erzählen sollte.“
„Bitte, nehmen Sie das Bild nicht meinetwegen weg“, sagte Annie leise.
„Ich wollte es sowieso hinter meinem Schreibtisch aufhängen, wo auch die anderen Bilder sind.“ Er zog die Schreibtischschublade auf und legte das Bild hinein. „Sie mochte das Foto nie besonders.“
Als Nick sich wieder neben Annie setzte, bemerkte er, dass sie Tränen in den Augen hatte. Sie sah ihn traurig an.
„Annie, was ist los?“
„Ich finde das alles so tragisch. Ein junges Paar, das noch sein ganzes Leben vor sich hatte.“
Nick ertrug es nicht, dass sie so unglücklich war, besonders wenn die eigentliche Tragik darin bestand, dass es in dieser Ehe nur Wertschätzung, aber keine Liebe gegeben hatte.
Eine Träne lief über Annies Wange, und Nick wischte sie spontan mit dem Daumen fort, als könnte er so auch ihre Traurigkeit
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