Julia Exklusiv 0227
antwortete sie leise.
„Es tut mir leid, dass ich Sie an Ihren Schmerz erinnert habe“, sagte er.
Sie hob den Kopf und sah Randolfo an. Tat es ihm wirklich leid? Sie wusste es nicht, hatte jedoch das ungute Gefühl, er hätte sie beleidigen wollen.
„Schon gut. Aber ich möchte nicht darüber reden“, erwiderte sie leise und kam sich ziemlich scheinheilig vor. Sie konnte seinen durchdringenden Blick nicht mehr ertragen und wandte sich ab. Er wusste wahrscheinlich genau, warum sie hier war. Weshalb war er trotzdem so freundlich?
2. KAPITEL
Das Gespräch verlief völlig anders, als Julia es geplant hatte. Sie war nicht hier, um mit Randolfo darüber zu reden, was damals geschehen war, sondern es ging ihr um die Zukunft ihrer Mutter.
„Lassen wir die Vergangenheit ruhen. Ich möchte mich endlich auf die Gegenwart konzentrieren“, erklärte sie energisch.
„Natürlich. Wie dumm von mir zu glauben, Sie brauchten Mitgefühl. Immerhin haben Sie Enrique kurz vor der Hochzeit verlassen.“ Randolfo zuckte die Schultern. „Weshalb sollten Sie sich über den schon lange zurückliegenden Tod Ihres Exverlobten aufregen, wenn es Sie noch nicht einmal berührt, dass Ihr Vater vor Kurzem gestorben ist?“
Julia warf ihm einen verächtlichen Blick zu. Ihre Zweifel an seiner Aufrichtigkeit waren berechtigt gewesen. Jetzt zeigte er sein wahres Gesicht.
„Sie wissen nichts über meine Beziehung zu meinem Vater.“ Sie stand auf. „Wenn es überhaupt eine gegeben hat“, fügte sie ironisch hinzu. „Aber das geht Sie wirklich nichts an.“
Bei einer der seltenen Gelegenheiten, als ihr Vater sich wirklich einmal mit ihr unterhalten hatte, hatte er erzählt, seine Schwester Ester hätte als Studentin einer linksgerichteten Partei in Chile angehört. Nachdem sie eine Zeit lang wegen ihrer politischen Überzeugung im Gefängnis gesessen hatte, war es ihr schließlich gelungen, nach Europa zu flüchten. In Italien hatte sie einen Witwer mit einem vierjährigen Sohn geheiratet. Dieser Sohn war Randolfo. Nach Chile war sie nie zurückgekommen. Bruder und Schwester vertraten völlig gegensätzliche politische Ansichten, und sie hatten sich über die Jahre hinweg entfremdet. Das hätte Julia schon einiges über den Charakter ihres Vaters verraten können. Doch erst nachdem sie die Verlobung mit Enrique gelöst hatte, war ihr klar geworden, was für ein Mensch ihr Vater war.
Julia konnte sich nicht vorstellen, dass er jemals von sich aus mit seiner Schwester Kontakt aufgenommen hätte. Viel später erst hatte sie den ersten Schritt getan und ihren inzwischen erwachsenen Stiefsohn gebeten, ihren Bruder zu besuchen. Andere Geschwister hatten die beiden nicht gehabt. Carlos Diez war ein hartherziger, berechnender Mann gewesen, wie Julia am eigenen Leib hatte erfahren müssen.
„Es geht mich insofern etwas an, als ich der Testamentsvollstrecker Ihres Vaters bin“, erinnerte Randolfo sie.
„Und natürlich ist es Ihr Hauptanliegen, die Interessen Ihrer Stiefmutter Ester wahrzunehmen. Das ist verständlich“, stieß Julia ärgerlich hervor. „Aber ich …“
„Einen Moment“, unterbrach er sie. „Ehe wir das Geschäftliche besprechen, möchte ich etwas essen. Ich lade Sie ein.“
Julia hatte keine Lust, mit ihm zu Mittag zu essen. Am liebsten hätte sie sich so rasch wie möglich wieder verabschiedet. Er würde jedoch keinen Widerspruch dulden, das war ihr klar. Randolfo Carducci war kein Mann, der sich nach anderen richtete. Und wenn sie etwas erreichen wollte, durfte sie ihn nicht verärgern.
„Ja, gern“, erwiderte sie deshalb nur.
Sie ist eine sehr schöne Frau, dachte er. Aber sie war auch geldgierig und herzlos, und sie wusste genau, dass sie es sich mit ihm nicht verderben durfte.
Er lächelte ironisch. Für den viel zu schlanken Teenager, als den er sie kennengelernt hatte, hätte er vielleicht Mitleid aufbringen können. Aber diese erotisch wirkende Frau rief kein Mitleid in ihm wach, sondern ganz andere Gefühle. Sie konnte jeden Mann haben, den sie haben wollte. Sie brauchte ihn nur mit ihren grünen Augen verführerisch anzusehen. Wenn es stimmte, was Señor Eiga behauptet hatte, war sie indirekt für den Tod seiner Verlobten verantwortlich. Und dann war sie ihm etwas schuldig.
„Gut. Ich bin froh, dass Sie einverstanden sind. Ich verstehe Ihr Interesse an dem Vermögen Ihres Vaters“, fügte er betont freundlich hinzu. Weder seine Miene noch sein Blick verrieten, wie sehr er sich ärgerte. „Ich
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