Julia Extra 0357
ihrem Blick.
Seltsam, aber genau dieser begehrliche Gesichtsausdruck ernüchterte Thomas. Es geht nicht, dachte er. Sex würde nur alles verkomplizieren. Wahrscheinlich würde Elizabeth das Liebesspiel viel zu wichtig nehmen, insbesondere unter den gegebenen Umständen. Körperliches Verlangen könnte schnell in emotionale Sehnsucht umschlagen. Elizabeth würde mehr von ihm erwarten, als er zu geben bereit war. Daher war es besser aufzuhören, bevor er ihr wehtun musste. Die Möglichkeit, dass sein eigenes Herz auch Schaden nehmen könnte, schob er weit von sich.
Er knöpfte das Hemd wieder zu und sagte rau: „Tut mir leid, das ist wohl etwas aus dem Ruder gelaufen. Eigentlich wollte ich dir nur einen Gutenachtkuss geben.“
Elizabeth zuckte zurück, als hätte er sie geohrfeigt. Natürlich tat ihm das leid, doch es war besser für sie beide, sich jetzt voneinander zu verabschieden. Sie sollte doch nur so tun, als liebte sie ihn, sich jedoch nicht tatsächlich in ihn verlieben.
Wie in Trance knöpfte sie die Bluse bis zum Hals zu. Leider hatte er nur einen flüchtigen Blick auf rosa Spitze unter der Bluse erhascht. Wahrscheinlich würde er die ganze Nacht darüber rätseln, was sich darunter verbarg. Auch Elizabeths verletzter Blick würde ihn am Schlaf hindern.
„Wir müssen uns ganz langsam aneinander gewöhnen“, behauptete er und merkte selbst, wie armselig diese Erklärung war.
Thomas ließ das Hemd über die Hose hängen, um zu verstecken, wie sehr ihn das kurze Intermezzo erregt hatte und ging zur Tür.
„Meinst du, wir schaffen es?“, fragte Elizabeth.
Er wandte sich um und sah sie forschend an. Innerhalb von zwei Tagen hatte diese Frau seine Welt praktisch auf den Kopf gestellt. Er hatte ihr Dinge anvertraut, die er viele Jahre tief in seinem Innern verschlossen gehalten hatte. Und er sehnte sich danach, ihr nahe zu sein. Nähe hatte er sich bisher in jeder Beziehung streng versagt. Aus tiefstem Herzen antwortete er: „Das hoffe ich sehr.“ Dann lief er zum Wagen und fuhr schnell los, bevor er es sich anders überlegen konnte.
7. KAPITEL
Am nächsten Morgen wachte Elizabeth mit heftigen Kopfschmerzen auf, die sie auch nach der Einnahme von zwei Schmerztabletten mit der ersten Tasse Kaffee weiter quälten.
Howie und das nervtötende Eichhörnchen lieferten sich eine wilde Verfolgungsjagd, sowie Elizabeth den Hund aus dem Haus gelassen hatte. Prompt klingelte Mrs Hildebrand von gegenüber Sturm. Mit Lockenwicklern im Haar und nur mit einem abgetragenen Morgenmantel bekleidet bot die ältere Frau einen schaurigen Anblick, als sie sich schrill über den Lärm beschwerte und Elizabeth mit einer Anzeige drohte.
Und all das vor sieben Uhr und der zweiten Tasse Kaffee.
Die Kopfschmerzen waren immer noch nicht besser, aber wenigstens war wieder Ruhe eingekehrt. Howie, der gebührend ausgeschimpft worden war, lag auf dem Läufer vor der Küchenspüle und schmollte. Jedenfalls sah es so aus. Elizabeth saß am Tisch und nippte am Kaffee. Beim Zurücklehnen spürte sie das Fischgrätenjackett im Rücken, das Thomas gestern Abend dann doch vergessen hatte.
Verträumt dachte sie an den Kuss. Leider hatte Thomas ihn für ihren Geschmack viel zu rasch beendet. Das Jackett roch nach ihm. Sehnsüchtig atmete sie den herben Duft ein. Der leidenschaftliche Kuss hatte verraten, dass Thomas mehr als nur eine Geschäftsbeziehung oder Freundschaft von ihr wollte. Doch bevor es richtig interessant wurde, hatte er sich schnell verabschiedet.
Bei einem zufälligen Blick auf die Küchenuhr wurde Elizabeth bewusst, wie lange sie schon vor sich hingeträumt hatte. Wenn sie weiter so trödelte, käme sie noch zu spät zur Arbeit!
Nach einer erfrischenden Dusche durchforstete sie ihren Kleiderschrank, fand jedoch kein einziges Outfit, das ihr zusagte. Mel hatte recht: Sie brauchte dringend neue Klamotten. Und andere Farben. Nicht mehr langweiliges Schwarz, Weiß, Dunkelblau oder Beige. Kein Mensch schenkte ihr Beachtung, wenn sie sich so unauffällig kleidete!
Leider hatte ihre Mutter keine Ahnung von Mode und hatte Elizabeth daher auch nicht beraten können. Delphine nähte ihre Sachen selbst aus alten bunten Stoffresten. Als stylish konnte man die Sachen nicht gerade bezeichnen. Doch Delphine liebte die Aufmerksamkeit, die sie darin erregte. Alles hatte mit löchrigen Jeans begonnen, die ihre Mutter mit bunten Flicken versah. Anschließend wurden sie zu Röcken, Shorts und sogar Handtaschen umgearbeitet. Das hatte
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