Julia Extra 0357
funkelnden Sternenhimmel. Es war fast Vollmond. Die laue Nachtluft duftete nach Blumen.
Nach einem kurzen inneren Kampf beschloss Thomas aller Gefahren zum Trotz, Nana Jos Rat zu folgen und noch einen Strandspaziergang zu machen.
„Was hältst du von einem Spaziergang?“, fragte er.
Als sie nicht gleich reagierte, fügte er neckend hinzu: „Dann kannst du die Krümel abarbeiten, die du von meinem Kuchen stibitzt hast.“
„Und meinen eigenen Nachtisch.“
„Eine Handvoll Beeren auf einem winzigen Törtchen?“ Thomas lachte amüsiert, um die gedrückte Stimmung aufzulockern. „Ich wusste ja gleich, dass die Hälfte auf deinem Teller zurückbleiben würde.“
„Besserwisser haben es schwer im Leben, Thomas. Das weiß ich aus Erfahrung.“
Er wusste sofort, was sie meinte und umfasste tröstend eine Hand. „Du denkst gerade an deinen Bruder.“ Überrascht stellte er fest, dass er wirklich Anteil an ihrem Leben nahm und wollte, dass sie glücklich war.
„Ich denke jeden Tag an ihn.“
„Hast du deine Eltern mal nach seiner Telefonnummer gefragt?“
„Er hat kein Handy und bleibt nie lange an einem Ort.“
„Du könntest ihn von einem Privatdetektiv ausfindig machen lassen“, schlug Thomas vor.
„Was soll das bringen? Ross zeigt mir durch sein Schweigen ja deutlich genug, dass er nichts mit mir zu tun haben will.“
Thomas war sich da nicht so sicher, doch er beschloss, das Thema vorerst fallen zu lassen. „Komm, wir fahren zum Strand. Ganz in der Nähe von Nana Jos Wohnanlage ist er frei zugänglich.“
Höflich hielt er ihr den Wagenschlag auf und nutzte die Gelegenheit, Elizabeths Duft einzuatmen.“
„Was tust du da?“
„Ich spanne mich selbst auf die Folter.“ Und dann küsste er sie.
Wenig später hatten sie den Strand erreicht und zogen die Schuhe aus. Thomas legte auch Jackett und Schlips ab und krempelte Ärmel und Hosenbeine hoch.
Abgesehen von einer Gruppe Jugendlicher, die sich um ein Lagerfeuer versammelt hatten, hatten sie den Strand für sich.
Der Sand fühlte sich kühl an unter den nackten Füßen. „So, Elizabeth, nun bist du dran. Welche Schwächen hast du an mir entdeckt?“, fragte er, als sie einige Schritte Hand in Hand gegangen waren.
„Spontan fällt mir dazu gar nichts ein.“
„Mein Ego fühlt sich geschmeichelt, aber ich glaube, du willst nur höflich sein.“ Aufmunternd drückte er ihre Hand.
Prompt wurde sie ihm entzogen. Vorgeblich, um sich eine Strähne aus dem Gesicht zu streichen. Doch es war offensichtlich, dass sie Distanz schaffen wollte. Das Wochenende war noch nicht einmal vorbei, und sie entfernte sich bereits von ihm!
„Wenn dir keine Schwächen einfallen, wie sieht es dann mit meinen Vorzügen aus? Könntest du nicht all die vielen Eigenschaften aufzählen, die du an mir so attraktiv findest?“
Das war natürlich scherzhaft gemeint, doch Elizabeth blieb ernst.
„Ich finde dich attraktiv, Thomas. Und du musst dir deiner Anziehungskraft auf Frauen bewusst sein. Also kann ich mir die Aufzählung sparen.“
Frustriert blieb er stehen und umfasste ihre Arme. „Falls das ein Kompliment sein sollte, ist es bei mir nicht angekommen.“ Trotz der Dunkelheit bemerkte er, wie sehr Elizabeth sein ungeduldiger Tonfall überraschte. „Lass doch mal die anderen Frauen aus dem Spiel. Ich bin mit dir hier, Elizabeth. Mit dir ganz allein.“
Natürlich war das der völlig falsche Ansatz. Das wusste Thomas selbst. Aber er war einfach so frustriert! Er ahnte, was jetzt kam. „Sag es nicht!“ Warnend sah er sie an.
„Okay. Nur so viel: Wir machen uns doch was vor, Thomas. Wir sind kein Paar.“ Traurig ließ sie den Kopf hängen. „Nicht im Entferntesten.“
Die Jugendlichen veranstalteten ein kleines Feuerwerk. Bunte Fontänen schossen in den Himmel und regneten herab. Das eigentliche Feuerwerk zum Nationalfeiertag war für den folgenden Abend geplant. Die Vorbereitungen auf Beaver Island im Lake Michigan hatten bereits begonnen. Leider würden Elizabeth und er dann schon wieder in Ann Arbor sein und getrennte Wege gehen.
Nana Jos Worte kamen ihm in den Sinn: Die Liebe findet uns früher oder später, Tommy. Meistens wenn wir am wenigsten damit rechnen.
Thomas zuckte heftig zusammen.
Sofort erkundigte Elizabeth sich besorgt: „Was ist los?“
„Wir sollten uns langsam auf den Rückweg machen“, antwortete er ausweichend.
Nana Jo hatte sich bereits zurückgezogen, als sie leise die Wohnung betraten. Im Wohnzimmer brannte Licht. Auf
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