Julia Extra 0357
als befürchtet.
Aber gut, keine Nettigkeiten mehr. „Um Zeit zu sparen, brauchen Sie dann nächste Woche nicht erst zu klingeln, sondern können direkt hereinkommen“, bot sie an.
Er kniff die Augen zusammen. „Sie schließen Ihre Tür nicht ab?“ Er wartete nicht auf ihre Antwort. „Ich habe die Kette vorgelegt, nachdem ich die Tür hinter mir geschlossen habe.“
Für einen Mann in seiner Position muss es wohl normal sein, sämtliche Türen sicher hinter sich zu verschließen. „Es wundert mich, dass Ihre Leibwächter nicht vorher das Haus untersucht haben.“
„Ich beschäftige Sicherheitsleute, aber mein Leben ist kein Fernsehkrimi. Ich habe Erkundigungen einziehen lassen, bevor meine Assistentin die Termine ausgemacht hat.“ Er musterte ihre zierliche Gestalt von oben bis unten. „Sie stellen wohl kaum eine Gefahr für mich dar.“
„Ich verstehe“, sagte sie noch einmal. Unbehagen machte sich breit bei der Vorstellung, dass man sie überprüft hatte.
„Es ist nichts Persönliches.“
„Nein, nur notwendig.“ So wie sie sich über ihn im Internet informiert hatte. Allerdings war sie wahrscheinlich sehr viel detaillierter unter die Lupe genommen worden. Vermutlich wusste er alles über ihre Geschichte, über das, was ihr Manager ihre „Eigenheiten“ nannte. Dennoch behandelte er sie nicht wie einen Sonderling.
„Richtig.“ Er blickte betont auf seine Uhr.
Keine Rolex – das fand Cass interessant. Aber sie sagte nichts dazu. Er hatte deutlich gemacht, dass er für den Unterricht hier war und nicht, um zu plaudern.
So verging die restliche Stunde erstaunlich schnell … trotz der Anspannung, die der Multimilliardär in Cass auslöste und die so anders war, als sie es erwartet hatte.
Neo verstand nicht, wieso er am nächsten Dienstag mit einem ungewohnten Gefühl von Vorfreude aufwachte, bis ihm klar wurde, dass seine zweite Klavierstunde für diesen Tag angesetzt war.
Cassandra Baker war genauso, wie der Bericht der Überprüfung sie beschrieb. Sie fühlte sich unwohl in der Gesellschaft Fremder und war sehr zurückhaltend und schüchtern. Und doch hatte sie etwas an sich, das ihn bezauberte. Es gab wesentlich wichtigere Dinge auf seiner heutigen Agenda, dennoch war das zweite Treffen mit der weltbekannten Pianistin, die keine Konzerte mehr gab, das Erste, woran er beim Aufwachen gedacht hatte.
Er konnte kaum glauben, wie sehr er die Zeit mit Cassandra Baker genossen hatte. Sicherlich, sie war keine Schönheit mit dem schlichten braunen Haar, den Sommersprossen auf der Nase und der zierlichen Figur, sie gehörte auch nicht zu dem Typ Frau, mit dem er sich sonst umgab. Sie passte eher in die Kategorie „Mädchen von nebenan“, und von denen hatte er in letzter Zeit wirklich wenige getroffen. Ohne Zephyrs Einmischung wäre er Cassandra Baker vermutlich nie begegnet.
Dabei hatte Zee ihn bereits vorher mit Cassandras Musik bekannt gemacht. Zu Weihnachten hatte er ihm ihre CDs geschenkt. Zuerst hatte Neo die Musik beim Training laufen zu lassen, dann hatte er sie manchmal über seinen iPod gehört, wenn er am Computer arbeitete, und irgendwann war er dazu übergegangen, Cassandras Songs auch in seiner Wohnung abzuspielen. Auf den Namen der Künstlerin aber hatte er nie wirklich geachtet. Auch als er ihn auf der Geschenkurkunde gelesen hatte, bedeutete er ihm nichts. Erst als der Bericht zurückgekommen war, hatte Neo den Namen Cassandra Baker mit der Musik in Verbindung gebracht, die ihm so gut gefiel.
Und er war beileibe nicht der Einzige. Die Verkaufszahlen von Cassandra Bakers CDs konnten sich sehen lassen. Er hätte nicht gedacht, dass eine so berühmte Künstlerin sich so unscheinbar geben würde. Sie unternahm nichts, um ihr Talent und den Ruhm herauszustellen, legte stattdessen sehr viel mehr Wert darauf, ihr Dasein als Durchschnittsbürgerin zu untermauern.
Ihre bernsteinfarbenen Augen waren allerdings alles andere als durchschnittlich. Nicht nur die Farbe war außergewöhnlich – vor allem die absolute Ehrlichkeit, die sich in ihnen spiegelte, hatte Neo fasziniert. Und obwohl Cassandra Baker keine klassische Schönheit war, hatte ihre Zartheit und Verletzlichkeit ihn gefesselt. Irgendetwas war an der stillen Pianistin, das ihn bezauberte. Vielleicht war es auch nur das Wissen darum, dass sie diese eingängige Musik schrieb.
Was immer es war, er freute sich darauf, sie besser kennenzulernen. Wann hatte er sich das letzte Mal einen so persönlichen Luxus erlaubt, der
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