Julia Extra 0357
verkneifen. „Ich wäre schon zufrieden, wenn du dich einfach nur freuen würdest.“
„Wieso sollte dir daran liegen, ob ich mich freue oder nicht?“
„Ich weiß es nicht, es ist einfach so. Schiebe es auf unsere Freundschaft.“
Sie seufzte, eher frustriert als verärgert. „Ich habe auch Dinge zu erledigen, Neo. Die Musik für mein nächstes Album komponiert sich nicht von allein. Nur kann ich nicht arbeiten, wenn fremde Handwerker mein Haus auseinandernehmen.“
„Also bekommen wir beide eine nicht eingeplante Pause. Was ist schon ein Tag?“ Dass sich jeder, der ihn kannte, bei einer solchen Bemerkung von ihm fragen würde, ob er den Verstand verloren hatte … darüber wollte er jetzt nicht nachdenken.
Cass musterte ihn argwöhnisch. „Wann hast du dir das letzte Mal eine Pause gegönnt?“
Das war leicht zu beantworten. „Für die Klavierstunden.“
„Und davor?“ Ihr Blick machte ihn nervös.
„Ich brauche keine Pausen.“
Natürlich würde sie sofort darauf anspringen und behaupten, dass sie ebenfalls keine Pausen brauchte. Doch sie überraschte ihn.
„Nie?“
„Nein, nie.“
„Jetzt bin ich überzeugt, dass du eine Pause brauchst.“
Das behaupteten Zephyr und Gregor auch. „Betrachtet man die Anzahl deiner Kompositionen der letzten Jahre, kannst du auch eine gebrauchen.“
Sie wirkte verwirrt. „Musik ist mein Leben.“
„Mein Arzt wie auch mein Geschäftspartner sehen solchen Arbeitseifer als ungesunde Lebenseinstellung an.“
„Ich trainiere regelmäßig.“
Neo erinnerte sich an den Gymnastikraum, den er entdeckt hatte, als er Cole durch das Haus geführt hatte. „Ich auch.“
„Ich ernähre mich gesund.“
„Ich auch.“
„Warum machen die beiden sich dann Sorgen um dich?“
Neo zuckte mit den Schultern. „Weiß nicht. Aber wenn es schlecht für mich ist, nur für Stamos & Nikos Enterprises zu leben, kann es nicht gut für dich sein, nur für deine Musik zu leben.“
„Ich will aber nicht den ganzen Tag von Fremden wie unter dem Mikroskop beobachtet werden.“
„Wirst du auch nicht.“
„Warum?“
„Weil sie alle viel zu beschäftigt sein werden, mich anzugaffen.“
Sie musste lachen, was er auch beabsichtigt hatte. „Es verdirbt mir die Laune, wenn ich daran denke, dass mein Haus zerlegt wird.“
„Cole hat mir versichert, dass du nicht einmal merken wirst, dass sie hier waren.“
„Ich habe die Liste der Arbeiten doch gesehen. Das alles lässt sich nicht in einem Tag schaffen.“
„Doch … wenn man genügend Geld investiert.“ Das Thema war für ihn noch nicht beendet. „Im Grunde hast du also nichts dagegen, das Haus zu verlassen, oder? Du willst nur nicht als die berühmte Pianistin und Komponistin Cassandra Baker erkannt werden. Ist es das?“
Sie wandte sich wieder ihrem Frühstück zu. „So was in der Art.“
„Und du weigerst dich, einen Schlosser unangemeldet einzulassen. Warum?“
„Mein Vater sagte immer, dass meine Schüchternheit mich lähmt.“
Der Ton, in dem sie es sagte, ließ Neo vermuten, dass der Mann diese Charaktereigenschaft wohl als Behinderung angesehen hatte – vor allem für die Karriere seiner brillanten Tochter.
„Warst du schon immer schüchtern?“
„Nach Meinung meiner Mutter soll ich angeblich ein fröhliches Kleinkind gewesen sein. So fanden sie auch heraus, dass ich ein Wunderkind war. Ständig wollte ich ihnen etwas vorführen. Das Klavierspiel entdeckte ich für mich, da war ich drei. Ich spielte Melodien nach, die ich irgendwo aufgeschnappt hatte.“
„Erstaunlich.“
„Das sagten meine Lehrer auch.“
„Sie haben dich mit drei Jahren zum Klavierunterricht geschickt?“ Er klang ehrlich schockiert.
„Mom wurde krank. Ich vermute, meine Eltern hielten es für eine gute Idee, damit ich meine Mutter nicht überanstrenge.“
„Also hast du jeden Tag Klavier gespielt. Wie lange?“
„Jeden Morgen und Abend zwei Stunden. Die Übungszeit zu Hause nicht mitgerechnet.“
„Unmöglich.“ Kinder nahmen Dinge oft anders wahr. Hatte er zumindest gehört.
„Das dachte ich zuerst auch. Aber nach dem Tode meines Vaters fand ich einen Karton mit seinen Aufzeichnungen. Damit hatte ich es schwarz auf weiß – den Beweis, dass meine Eltern mich nicht um sich haben wollten.“
„Das ist ein ziemlich hartes Urteil.“
„Wie bist du im Waisenhaus gelandet?“, fragte sie herausfordernd.
„Meine Eltern hatten sich von ihrem Leben wohl anderes erwartet, als für ein Kind zu
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