Julia Extra 0357
ich mir, wie ich nächste Woche genug Zeit für die Klavierstunde und für dich zusammenbekomme.“
„Plane erst einmal das Wochenende, das kommt schließlich zuerst.“ Vielleicht hatte er danach genug von ihr, sodass er am Dienstag gar nicht mehr zum Klavierunterricht kommen würde.
Neo rief am nächsten Morgen an, um Cass zu erinnern, das Alarmsystem auszuschalten, bevor sie nach draußen ging. Nach dem Lunch rief er an und erkundigte sich, wie sie mit ihrer Komposition weiterkam. Sie versprach, ihm das Stück am Wochenende vorzuspielen, falls sie es bis dahin vollenden konnte.
Es wunderte sie nicht, als das Telefon ein drittes Mal klingelte, während sie sich gerade das Abendessen zubereitete.
„Hallo, Neo.“
„Woher weißt du, dass ich es bin?“
„Außer meinem Manager und den Leuten von der Plattenfirma ruft mich niemand an, und dann nie nach siebzehn Uhr. Sie halten eben einen anderen Arbeitsplan ein als du.“
„Da wir gerade davon sprechen … meine Telefonkonferenz fällt aus. Hast du Lust, einen Dinnergast zu bewirten?“
„Würdest du nicht lieber auswärts essen?“ Sie hätte sich ohrfeigen mögen. Er wusste doch um ihre Eigenart, sie brauchte ihn nicht mit der Nase darauf zu stoßen.
„Ich würde meine Zeit lieber mit dir verbringen.“
Himmel, der Mann wurde immer besser. Das Gefühl von Liebe, das ihrer Meinung nach unmöglich in so kurzer Zeit entstanden sein konnte, wurde nur noch stärker. „Wenn das so ist … dann komm rüber.“
„In einer halben Stunde bin ich da.“
Neo hielt Wort. Exakt neunundzwanzig Minuten später klingelte er an Cass’ Haustür.
„Das riecht gut“, sagte er, nachdem er Cass in die Küche gefolgt war.
„Pasta und Hühnchen.“ Cass nahm die Schüsseln und ging ins Esszimmer, hielt aber nicht beim Tisch an. „Der Abend ist so schön, da können wir auf der Terrasse sitzen. Zwar gibt es da kein kugelsicheres Glas, aber ich denke, den einen Abend werden wir überleben.“
Neo lachte leise. „Lass das nicht meine Leibwächter hören.“
„Himmel behüte! Also, erzähl mir von Dubai“, sagte sie, als sie sich gegenseitig auflegten. Sie gab Nudeln auf Neos Teller, während er sie mit Gemüse bediente. Die kleine häusliche Szene lief so eingespielt ab, als würden sie das schon seit Jahren machen.
Neo tat ihr den Gefallen und begann, das Bauprojekt in Dubai zu beschreiben. Seine Vision begeisterte Cass.
„Das hört sich fantastisch an. Du bist ein echter Visionär, nicht wahr?“
„Wenn man den Gipfel erreichen will, muss man sich vorstellen, was möglich ist. Man darf sich nicht auf das beschränken, was man vor sich sieht.“ Bei ihm klang das so simpel, dabei war es alles andere als das. „Zephyr und ich sind immer andere Wege gegangen als andere.“
„Du beschränkst dich nie auf das, was andere tun.“ Das war etwas, das sie sehr an ihm schätzte. „So sehe ich auch die Musik. Melodien sind viel zu dynamisch, um sich in ein vorgegebenes Raster pressen zu lassen.“ Bei ihren Kompositionen brachte ihr das manchmal Lob, manchmal aber auch harsche Kritik ein.
„Das ist der Grund, warum mir deine Musik so gefällt.“
„Danke.“ Ein solches Kompliment machte alle kleinliche Kritik wieder wett.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass dein Vater dich dazu ermutigt hat, etwas anderes als Klassik zu spielen.“
„Nein.“ Ihr Vater hatte sie auch nicht zum Komponieren ermutigt, im Gegenteil. Er war der Ansicht gewesen, sie würde sich nur verzetteln. „Als Teenager hörte ich eine CD von George Winston und war begeistert. Seine Musik beinhaltet viele klassische Elemente, aber er hat eine neue Richtung gefunden. Ich wusste sofort, so etwas wollte ich auch machen.“
„Was uns dann allen zugutegekommen ist.“
Sie lächelte. „Du solltest sparsamer mit deinen Komplimenten umgehen. Ich könnte leicht süchtig danach werden.“
„Solange ich da bin, wirst du immer ausreichend Nachschub erhalten“, erwiderte er.
„Wie schön.“
Nur … wie lange konnte sie vernünftigerweise davon ausgehen, dass er da sein würde?
11. KAPITEL
Nach dem Dinner, für das Cass ein weiteres überschwängliches Kompliment von Neo erhalten hatte, wechselten sie in das Musikzimmer hinüber.
Neo strich leicht über den schimmernden Flügel. „Spielst du für mich?“, bat er.
Bereitwillig setzte sie sich auf die Klavierbank. „Gern.“
Ernst musterte er sie, so ernst, wie sie es bei ihm noch nie gesehen hatte. „Wirklich?“
Er konnte nicht
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