Julia Extra 260
Lebensunterhalt?“, wollte Lexis wissen.
Die Frage war keineswegs so unschuldig, wie sie klang. Miranda war wachsam. Offensichtlich wollte Lexis die Konkurrentin, die sie in Miranda sah, aufs Glatteis führen. „Wenn Sie wissen wollen, ob ich mir meinen Lebensunterhalt selbst verdiene, dann lautet die Antwort ja“, erwiderte sie freundlich.
„Sie sind sehr beschäftigt, oder?“, fragte Theo lässig, um die plötzlich angespannte Atmosphäre am Tisch wieder aufzulockern.
Lexis schien unterdrückt zu kichern und klang wie eine schnarchende Katze. Miranda ärgerte sich über die Anspielungen der Blondine.
„Mezedes?“
Sie riss sich zusammen, als Theo ihr einen Teller voller Delikatessen anbot.
„Danke, Theo.“ Miranda hatte beschlossen, sich durch Lexis’ Anzüglichkeiten nicht vertreiben zu lassen. Also blieb sie am Tisch sitzen und ließ sich Agalias Köstlichkeiten schmecken: kleine, mit Spinat und aromatischem Schafskäse gefüllte Blätterteigtaschen. Doch Lexis ließ nicht locker.
„Ist das nicht sehr schlimm für Sie?“
Miranda sah sie verständnislos an. „Was meinen Sie?“ Und dann bemerkte sie, wie Lexis den verletzten Arm musterte – mit angewidertem Gesichtsausdruck. Einige Geschäftsleute warenihrem Blick gefolgt – Theo allerdings nicht.
Einer der älteren Männer am Tisch versuchte, die Situation zu retten, und sprach Theo an. „Ich muss mich bei dir beschweren, Theo“, sagte er.
„Worüber denn?“, fragte der gut gelaunt.
Miranda beobachtete, wie er übers ganze Gesicht lächelte. Offensichtlich gehörte er zu den Menschen, die über sich selbst lachen konnten.
„Die schönsten Frauen sitzen immer neben dir!“
Die anderen Männer stimmten zu, und die Anspannung löste sich.
„Na ja, du kennst ja das Sprichwort, Costas …“
Miranda hielt den Atem an. Was kam denn jetzt?
„Eine schöne Frau ist wie ein Gemälde. Hast du eins, willst du mehr.“
Sie verschluckte sich fast. Alle um sie herum lachten, auch Lexis. Und Theo sah Miranda herausfordernd lächelnd an.
Was für ein Macho, dachte Miranda wütend und stand auf.
„Wo wollen Sie hin, Miranda?“
Kühl betrachtete sie Theos Hand, mit der er ihren Arm umfasst hielt. „Bitte, lassen Sie mich gehen. Ich muss wieder in die Küche.“ Warum wollte er, dass sie blieb? Sollte sie sich weitere Erniedrigungen bieten lassen?
Auch Theo stand auf. „Können Sie nicht noch etwas bleiben?“
„Nein, danke.“
„Missfällt Ihnen meine Art von Humor?“
„Ganz im Gegenteil“, antwortete sie eisig und bedachte ihn mit einem weiteren abweisenden Blick, bevor sie den anderen Männern zulächelte. „Es war sehr nett, Sie alle kennengelernt zu haben“, sagte sie. Dann wandte sie sich wieder Theo zu. „Danke für den Wein.“
„Müssen Sie wirklich schon gehen?“, fragte Lexis ironisch.
„Ich würde mich gern länger mit Ihnen unterhalten, aber Sie wissen ja, dass ich als Sängerin engagiert bin.“
„Natürlich.“ Lexis seufzte. „Wir freuen uns schon sehr auf Ihre Vorstellung, oder, Theo?“
Er ignorierte Lexis. Offensichtlich war er es nicht gewohnt, dass Frauen ihn stehen ließen.
Sein Problem, dachte Miranda. Er sah zwar blendend aus,aber er war ein Macho, der Frauen nur benutzte. Ein Mann, der Frauen sammelte wie andere Leute Briefmarken, war ein Narr. Als sie sich jetzt an ihm vorbeischieben wollte, hielt er sie erneut zurück.
„Darf ich mir ein Lied wünschen?“
„Nein, Theo, und nun lassen Sie mich bitte los. Sie brauchen mich nicht anzufassen, wenn Sie etwas von mir wollen. Sie brauchen nur zu fragen.“
„Darauf werde ich vielleicht zurückkommen.“
„Bitte nicht.“
„Ich habe es verbockt, oder?“, fragte er.
„Was?“
Er sah sie nur an, hielt sich die Hand vor den Mund und pustete, als hätte er sich verbrannt. „Sie sind wohl sehr wütend auf mich.“
„Sie haben es erfasst. Kann ich jetzt gehen?“
Mit übertrieben höflicher Geste machte er einen Schritt zur Seite und ließ Miranda vorbei.
Nur mit großer Anstrengung war es Miranda gelungen, in dem beengten Raum, den Agalia ihr als Garderobe zur Verfügung gestellt hatte, in das bodenlange, auf Figur geschnittene rubinrote Kleid zu schlüpfen, das sie für ihren Auftritt mitgebracht hatte.
Vor dem Spiegel löste sie den Pferdeschwanz und fuhr sich mit den Fingern durchs lange Haar. Sie war blass und hatte schreckliches Lampenfieber. Bei früheren Auftritten war sie von einer Band begleitet worden, hier würde sie ganz
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