Julia Extra 260
Darin hatte sie inzwischen Übung.
Theo Savakis musterte sie nachdenklich.
Komme ich ihm bekannt vor?, überlegte Miranda. Sie konnte es sich nicht vorstellen. Hier auf Kalmos hatte noch nie jemand von ihr gehört.
„Ich kenne Sie irgendwoher“, sagte er langsam.
Ihrem ungläubigen Blick begegnete er mit einem selbstbewussten Lächeln.
„Also gut, ich vergebe Ihnen. Wahrscheinlich waren Sie wirklich nicht auf eine Schlagzeile aus. Aber ich wundere mich ein wenig über Ihren Aufenthalt auf Kalmos.“
„Nur ein wenig?“ Miranda nahm sich zusammen. Er hatte sich geirrt. Er konnte gar nicht wissen, wer sie war.
„Sind Sie nicht die Violinistin Miranda Weston?“
2. KAPITEL
„Die war ich mal.“
„Natürlich! Der Arm …“
Theo richtete den Blick auf Mirandas Arm. Offensichtlich wollte er sich ein Bild vom Ausmaß der Verletzung machen. Schließlich sah er auf. „Ist das nicht bei einem schweren Unfall passiert?“
Seine Worte erinnerten sie wieder an den Albtraum. Wieso schrieb Theo nur alle Konventionen in den Wind und fragte sie, eine Fremde, über ihren Unfall aus? Das gehörte sich einfach nicht. Hatte er denn gar kein Taktgefühl?
„Machen Sie einen Erholungsurlaub auf Kalmos, Miranda?“
Sie nickte nur vage, weil sie keine Lust hatte, seine Fragen zu beantworten. Er war so voller Leben und Temperament; in seiner Gegenwart wurde ihr erst recht bewusst, dass sie eine Behinderung hatte.
„Sie hätten sich keinen besseren Ort zur Erholung aussuchen können.“
„Mir ist kalt“, sagte sie abweisend.
Wortlos wandte er sich ab, ließ den Motor wieder an und fuhr auf die Küste zu.
Der Ritt über die Wellen verlief schweigend; bei dem Lärm des Motors hätte man sich ohnehin nicht unterhalten können. Nachdem Theo ihr von Bord geholfen hatte, watete Miranda die letzten Meter zum Strand und spürte Theos Blick auf ihrem nur mit einem knappen Bikini bekleideten Körper. Den Mann würde sie nie wiedersehen, da war sie sich sicher. Männer wie er umgaben sich nur mit perfekt aussehenden Menschen.
Auf dem Weg zur Ferienwohnung empfand Miranda allerdingseinen tiefen Schmerz, weil Theo Savakis Verhalten nicht darauf hingedeutet hatte, dass er sie attraktiv fand. Aber wieso hätte er sie auch anziehend finden sollen? Schließlich hatte sie ihn nur angeherrscht.
Jetzt überkam sie wieder das Selbstmitleid. Dabei hatte sie sich geschworen, sich nicht mehr gehen zu lassen.
Theo Savakis war zwar ausgesprochen unausstehlich, trotzdem hatte sie etwas für ihn empfunden. Da war mehr als ein Prickeln gewesen. Das war sehr merkwürdig, da sie sich eigentlich gar nichts aus Sex machte. Ein einziges Mal hatte sie sich darauf eingelassen – während ihrer Studienzeit. Es war schrecklich gewesen und hatte wehgetan.
Theos Berührung war warm und zupackend gewesen, wenn auch völlig unpersönlich.
Erleichtert schloss Miranda schließlich die Wohnungstür hinter sich. Nun musste der Vorfall erst mal verarbeitet werden. Ein Gutes hatte das Drama mit Theo Savakis auf See immerhin: Miranda wagte es wieder, Gefühle zuzulassen.
Voller Energie bereitete sie sich auf ihren ersten Arbeitstag in der Taverne vor, duschte, zog sich an und band ihr Haar zu einem Pferdeschwanz. Sie freute sich auf die Arbeit, und durch etwaige Gedanken an Theo Savakis würde sie sich nicht den Tag verderben lassen.
„Guten Morgen, Miranda! Schön, dich zu sehen.“
Spiros, der gerade die Holztische abwischte, sah lächelnd auf, als seine neue Mitarbeiterin auf dem Pier auftauchte.
„Darf ich das übernehmen?“, fragte sie, als sie die Stufen zu ihm hinauflief.
„Du kannst mir helfen.“ Spiros zog einen weiteren Wischlappen aus dem Putzeimer. Einträchtig verrichteten sie die Arbeit.
„Heute Abend findet ein Fest bei uns statt“, erzählte Spiros, als sie fertig waren. „Es ist natürlich sehr kurzfristig, Miranda, aber könntest du für uns singen?“
Zwar hatte sie vorgeschlagen, als Sängerin zu arbeiten, aber nun wurde ihr doch etwas mulmig zumute, denn seit dem Unfall war sie nicht mehr öffentlich aufgetreten. Vor Publikum gesungen hatte sie zuletzt als Studentin, vor knapp zwei Jahren. Ihre anschließende Karriere als Violinistin war leider sehr kurz gewesen.
„Macht nichts, wenn du nicht möchtest. Wir haben eine Bouzouki-Band engagiert.“ Spiros sah sie erwartungsvoll an.
„Ich würde aber gern singen.“ Sie wollte ihn nicht enttäuschen, außerdem konnte sie sich nicht bis ans Ende ihrer Tage verstecken.
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