Julia Extra 260
Whiskeyflasche. Doch bevor er sein Glas auffüllen konnte, schloss sich eine andereHand um sein Handgelenk.
„Sich zu betrinken, wird nicht helfen.“
„Lass mich in Ruhe, Leo“, polterte Markos und stieß einen langen griechischen Fluch aus.
Doch Leo löste die Finger seines Cousins von der Flasche und nahm sie ihm weg.
„Fahr zur Hölle“, rief Markos und sank in seinen Stuhl. „Und nimm Vanessa gleich mit.“ Er sah Leo an, der ihm gegenüber in seinem Londoner Apartment saß. „Wie konnte sie das tun, Leo? Wie konnte sie dieser intriganten Schlange glauben? Wie konnte sie mich einfach so verlassen? Ohne ein einziges Wort! Ohne mir die Chance zu geben zu erklären, welches Süppchen Constantia Dimistris zusammen mit meinem Vater ausgekocht hat!“ Seine Miene wurde hart. „Wenn sie mir nur vertraut hätte, hätte ich ihr sagen können, dass alles gelogen war. Wenn sie mir nur genug vertraut hätte, um mich zu fragen.“
„Und was wäre dann passiert, Markos?“, fragte eine weibliche Stimme.
Völlig verdutzt wandte Markos sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. „Was soll das heißen?“
Anna Makarios verschränkte die Arme vor der Brust.
„Das ist eine ganz einfache Frage. Angenommen, Vanessa wäre zu dir gekommen, und du hättest ihr alles erklärt, was wäre dann passiert?“
„Alles wäre wieder gut gewesen. Das wäre passiert!“
„Alles wäre also wieder gut gewesen“, wiederholte sie. „Wie praktisch für dich. Vanessa hätte dir einen verliebten Kuss gegeben und dich weiterhin vergöttert. Die beste Geliebte, die du je hattest – waren das nicht deine Worte?“
„Anna …“ Die Stimme ihres Ehemannes hatte einen versöhnlichen Klang. „Ich weiß, du magst das Wort nicht, aber …“
Doch sie sah ihn nicht einmal an, als sie weitersprach. „Nein, Leo. Hier geht es nicht um ein Wort, sondern um eine Einstellung. Dein Cousin hatte, was gewöhnliche Menschen wie Vanessa und ich eine Beziehung nennen. Sie haben über ein halbes Jahr zusammengelebt. Vanessa war seine Freundin, seine Partnerin. Sie eine Geliebte zu nennen, ist eine Beleidigung! Ja, ich weiß, dass es Frauen gibt, die in der Tat den Status einer Geliebten anstreben, die sich reiche Männer angeln und Sex gegen Diamanten tauschen. Aber wage ja nicht zu behaupten, Vanessawäre eine von ihnen. Sie war einfach bis über beide Ohren in Markos verliebt – das ist alles!“
Erbost griff Markos nach der Whiskeyflasche, die Leo unvorsichtigerweise losgelassen hatte, und schenkte sein Glas voll. Nach einem großen Schluck knallte er das Glas zurück auf den Tisch.
„So verliebt, dass sie gleich einem anderen Mann in die Arme gefallen ist!“
Zwei Augenpaare sahen ihm ungläubig entgegen.
„Das ist unmöglich“, widersprach Anna. „Vanessa hätte sich erst monatelang die Augen aus dem Kopf geweint, bevor sie eine neue Beziehung eingegangen wäre.“
Markos hob den Kopf. Seine Augen funkelten gefährlich.
„Ach ja? Nun, ich fürchte, dein Vertrauen in ihre Ergebenheit ist fehl am Platz, meine liebe Anna.“ Sein Lächeln erinnerte an einen Wolf, der die Zähne fletscht. „Oder wie kommt es, dass sie das Kind eines anderen Mannes erwartet?“
Stille senkte sich über den Raum. Erst nach einer Weile fand Anna ihre Sprache wieder.
„Vanessa ist schwanger?“
„Wie hast du das herausgefunden?“, fragte Leo.
„Sie hat für einen Designer gemodelt. Für Umstandsmode. Ich habe die Bilder in einer Zeitschrift gesehen. Und als ich sie endlich über ihre Modelagentur gefunden habe, hat sie es nicht abgestritten. Sie hat mich sogar aufgefordert zu raten, von wem sie schwanger ist!“
„Hat sie es dir gesagt?“, hakte Anna nach.
„Natürlich nicht. Sie beschützt ihn. Und obwohl ich ihr zuletzt versprochen habe, ihn in Ruhe zu lassen, denn immerhin“, nun stahl sich Bitterkeit in seine Stimme, „ist sie ja freiwillig zu ihm gegangen, wollte sie mir seinen Namen nicht verraten. Nicht, dass es ihr viel genützt hätte. Er hat sie verlassen und mit einer Schuhschachtel von Haus mitten im Nirgendwo abgefunden, wo sie keinen Ärger mehr machen kann!“
„Verrate mir eines“, entgegnete Anna mit ruhiger Stimme. „Im wievielten Monat ist sie schwanger, Markos?“
„Ich weiß es nicht, und es ist mir auch egal.“
„Das sollte dir aber nicht egal sein, kleiner Cousin“, führte Leo den Gedanken seiner Frau weiter. „Und zwar aus folgendem Grund nicht.“Es war wie ein Déjàvu.
Dieselbe schmale
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