Julia Extra 260
recht. Die Leute vertrauten sich ihr wirklich gerne an. Mehr denn je. Seit dem Unfall war sie mitfühlender geworden, wohingegen sie zuvor nur deshalb eine gute Zuhörerin gewesen war, weil ihre Mutter es ihr beigebracht hatte.
Deshalb wusste sie auch genau, was bei Beville Holdings nichtstimmte. Die Probleme konnte man in den Griff kriegen. Falls der neue Boss wusste, wo er hinschauen musste oder wessen Rat er annehmen sollte.
„Beville Holdings produziert erstklassige Ware“, antwortete sie vorsichtig. „Aber sie haben ein verdammt schlechtes Management. Ich denke, dein Investment wird wachsen.“
Joachim lächelte. Schlaues Mädchen, seine Tochter. Schlau und schön und nicht dazu bestimmt, ihr Leben als Rezeptionistin zu fristen. Oder alleine zu bleiben.
Er konnte ja verstehen, dass das Verhalten ihres Exmannes sie zutiefst verletzt hatte, aber das Leben ging weiter.
Leah war erst sechsundzwanzig. Es war an der Zeit, dass sie wieder ausging. Doch das konnte er nicht erzwingen. Er musste subtiler vorgehen. Vielleicht würde er sie kommenden Samstag mit einer Dinnerparty überraschen, würde ein paar alte Freunde einladen, Leute, die sie mochte. Doch er würde noch jemand Neues hinzufügen, einen attraktiven jungen Mann, der sie vielleicht beeindruckte.
Aber wen?
Joachim fiel niemand ein. Mit einem Seufzen griff er nach der Zeitung und stellte fest, dass er erneut auf das Foto von Jason Pollack blickte. Plötzlich wisperte ihm eine Stimme zu, dass er ihn einladen sollte. Jason Pollack.
Joachims erste Reaktion war sofort ablehnend. Nicht einen ehrgeizigen Bastard, der des Geldes wegen geheiratet hatte. Doch die Stimme insistierte. Wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er geglaubt, dass es Isabel war, die ihm zuflüsterte. Isabel, die Carl kein bisschen hatte ausstehen können und die gesagt hatte, dass Leah eine andere Sorte Mann brauchte. Einen stärkeren, einen Selfmademan.
Isabel hatte in Bezug auf Carl recht behalten.
Jason Pollack war ein starker Mann, sagte sich Joachim. Und ein Selfmademan. Ein Mann, der vielleicht eine neue Frau suchte. Diesmal eine jüngere, die ihm Kinder schenken konnte.
Joachim hatte immer noch Zweifel, doch die innere Stimme war äußerst hartnäckig.
Also gut, er würde es tun.
Sag Leah nichts, fügte die Stimme hinzu.
Joachim warf einen raschen Blick über den Tisch zu seiner Tochter.
„Was?“, fragte sie.
„Nichts. Nichts.“
Doch die Würfel waren gefallen. Er würde Jason Pollack zum Dinner einladen und Leah nichts sagen. Allerdings wusste er noch nicht, wie er sie dazu bringen sollte, zu kommen. Keine leichte Aufgabe.
Aber er würde sie überreden. Irgendwie.
2. KAPITEL
Leah bog in die Einfahrt von Beville Holdings ein, stoppte an der Sicherheitsschranke und lächelte Ted zu, der die Frühschicht als Wachmann innehatte. Normalerweise erwiderte er das Lächeln, drückte auf den Knopf, der die Schranke hob, und ließ sie durchfahren.
Doch heute öffnete Ted sein Fenster und bedeutete Leah, dasselbe bei sich zu tun. Sie kurbelte das Fenster herunter.
„Er ist hier“, rief er im Verschwörerton zu ihr hinüber. „Der neue Boss.“
„ Was?“ Leahs Magen verkrampfte sich sofort. Natürlich war sie davon ausgegangen, dass Jason Pollack früher oder später bei der Arbeit auftauchen würde, aber so schnell hatte sie nicht mit ihm gerechnet.
„Hast du gestern nichts von der Übernahme in der Zeitung gelesen?“, fragte Ted.
„Ähm … nein, das habe ich nicht“, erwiderte Leah, die den Eindruck vermeiden wollte, zu gut informiert zu sein. Sie spielte bei Beville Holdings nicht gerade die Rolle des dummen Blondchens, aber sie machte auch keinerlei Andeutungen, wer sie wirklich war. Sie bevorzugte es, wenn man sie als einfaches Mädchen aus der Arbeiterklasse von Gladesville behandelte. Keiner ihrer Kollegen war je in ihrem schicken Apartment mit Meerblick gewesen, und niemand verband ihren Nachnamen – Johannsen – mit der Diamantendynastie.
„Nun, sein Name ist Jason Pollack“, verriet Ted. „Als er um sieben hier vorfuhr und verkündete, wer er ist, habe ich trotzdem seinen Ausweis verlangt – und das scheint ihm gefallen zu haben.“
„Das freut mich für dich. Was für ein Auto fährt er? Bestimmt irgendetwas Superschickes, oder?“
„Einen dunkelblauen Sportwagen.“
Leah verzog verächtlich die Lippen. Typisch. Gestern hatte ihr Vater behauptet, Jason Pollack sei kein Playboy – obwohl er in einem riesigen Penthouse
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