Julia Extra Band 0193
noch das Baby in die Arme. “Also, ihr seid einander vorgestellt worden. Dann halten Sie ihn doch bitte einen Moment, damit ich sein Lieblingsspielzeug holen kann. Es liegt noch im Wagen.”
Bevor Sam überhaupt ein Wort sagen konnte, war Haley schon die Treppe hinuntergeeilt. Der Kleine grinste ihn breit an, und Sam fühlte, wie sein ganzer Körper sich verkrampfte. Joel sah genauso aus, wie er sich seinen eigenen Sohn vorgestellt hatte, bevor er akzeptieren musste, dass ihm dieses Glück nie beschieden sein würde. Ein eiserner Ring legte sich um sein Herz.
Joel schien seine Anspannung zu spüren, und er verzog das Gesicht, als würde er jeden Moment anfangen zu weinen. Instinktiv hob Sam den Kleinen in die Höhe und schaukelte ihn ein wenig. “He, sie ist doch in einer Minute wieder zurück”, versicherte Sam. “So lange werden wir Männer es doch auch ohne sie aushalten, oder?”
Der ernste Ton zeigte Wirkung. Joels Gesichtchen wurde wieder glatt, und mit großen Augen starrte er Sam an. Dann streckte Joel die Hand aus und zog an Sams Kragenknopf.
Sofort spürte Sam dieses Ziehen tief in seinem Innern, als Wehmut ihn durchfuhr, scharf wie ein Speer. Er hatte schon vorher Babys auf dem Arm gehalten. Seine Schwester Jessie hatte zwei Kinder. Aber damals hatte er noch geglaubt, irgendwann einmal selbst Vater zu werden. Heute wusste er, dass er nie eigene Kinder haben würde. Und Joel im Arm zu halten verstärkte dieses bittere Gefühl von Enttäuschung und Verlust nur noch.
“Nein, Wonneproppen, es ist nicht deine Schuld.” Sams Stimme klang heiser. “Es ist nur, dass du genau der Junge bist, den ich mir immer gewünscht habe.”
Joel hörte ganz aufmerksam zu, so, als würde er jedes Wort verstehen.
“Ja, kannst du mir glauben. Und noch ein Mädchen, genau wie …” Sam ertappte sich dabei, dass er hatte sagen wollen: “wie deine Mutter”, also räusperte er sich und beendete den Satz nur mit: “Nun, ein Mädchen eben.”
Bei dem Wort “Mädchen” begann Joel leise zu murmeln. Sam musste grinsen. “Was denn, du magst keine Mädchen? Keine Sorge, das ändert sich. Spätestens dann, wenn du das ganz spezielle eine Mädchen triffst und glaubst, ohne sie nicht mehr leben zu können. Ich dachte, ich hätte dieses Mädchen in Christine gefunden”, erzählte Sam dem Baby, und Joel nickte ernst, als lausche er hingerissen der Erzählung. “Nun, Christine und ich sind vielleicht kein so gutes Beispiel. Sie war Model, musst du wissen. Wir haben uns auf einer Weihnachtsfeier bei meiner Verlegerin kennengelernt. Aber es muss ja nicht bei jedem schiefgehen, nicht wahr?” Sam fragte sich ernsthaft, ob er den Verstand verloren hatte. Warum erzählte er diese Geschichte ausgerechnet einem Baby? Aber Joel war ein guter Zuhörer, und außerdem schien dieser Monolog ihn zu beruhigen. Im Grunde war es also gleichgültig, was Sam sagte, solange er nur in einem ruhigen Ton sprach. “Sie behauptete, es mache ihr nichts aus, dass ich keine Kinder zeugen kann. Ihr großer Bruder, der angesehene Arzt, hat den Test gemacht, damit das in der Familie blieb und nach außen vertuscht werden konnte. Ihr Bruder hat mich nie gemocht. Dachte immer, ein Schriftsteller sei nicht gut genug für seine kostbare Schwester. Nun, medizinisch gesehen hatte er wohl recht.”
Joel klopfte mit der kleinen Faust auf Sams Brust. “Le-le.”
“Richtig, das ist ziemlich schlecht”, stimmte Sam zu. “Aber ich mag ihn auch nicht, also sind wir quitt. Aber das willst du sicher gar nicht alles hören, oder? Ehrlich gesagt, ich würde es nicht hören wollen.”
“Um was geht es denn?” Haley kam die Treppe hinaufgespurtet, in der Hand ein wollenes kleines Lamm. Joels Augen begannen zu leuchten, und er streckte beide Hände nach seinem Plüschtier aus.
Während Haley ihm Joel aus dem Arm nahm, sagte Sam rau: “Nichts Wichtiges. Das war ein Gespräch unter Männern.” Er war wütend auf sich selbst, dass er sich von dem Baby so mürbe hatte machen lassen.
Allerdings war er auch nicht darauf vorbereitet, welche Reaktionen Haley in ihm auslöste. Als er zusah, wie sie das Kind auf ihre Hüfte hob, schossen Flammen durch seinen Leib.
Seine Schwester Jessie hatte mal gesagt, das einzig Gute an einer Schwangerschaft sei, dass die Brüste größer wurden. Haleys Oberweite schien allerdings trotz der Mutterschaft nicht übermäßig angeschwollen zu sein, das Größenverhältnis zum Rest ihrer schlanken Gestalt war … perfekt.
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