JULIA EXTRA BAND 0261
zu bringen.
„Wollen wir aufbrechen?“ Er berührte sie kurz am Ellenbogen, und die kleine Berührung ging ihr durch und durch.
„Vielleicht sollten wir zuerst Ihren Mietwagen zurückbringen. Und dann würde ich Sie auch lieber in einem besseren Hotel unterbringen.“
Rachel schüttelte den Kopf. „Meinetwegen müssen Sie sich nicht solche Mühe geben.“
Er wartete, bis sie eingestiegen war. Dann beugte er sich durch das offene Fenster zu ihr herab. „Das ist keine Mühe. Ohne Einkäuferinnen wie Sie könnte ich mein Geschäft gleich zumachen.“
Rachel schluckte. Seinem Charisma völlig erlegen, hatte sie ganz vergessen, dass sie in die Kundenkategorie fiel.
Er hingegen nicht.
3. KAPITEL
Kurz bevor sie Ribeauville erreichten, wandte Rachel sich an Luc.
„Sie leben am schönsten Ort der Erde.“ Genießerisch sog sie die warme Juniluft in tiefen Zügen ein. „Das Elsass ist wahrscheinlich eines der am besten gehüteten Geheimnisse der ganzen Welt.“
Schon die ganze Fahrt über unterhielt Luc sie mit Anekdoten über die Gegend. Besonders die Legende von Thann, das so genannte Wunder der Tannen, hatte es Rachel angetan. Sie hätte ihm ewig zuhören können.
Er nickte. „Auch wenn es ein wenig selbstgerecht klingt – das sehe ich genauso. Ich wollte noch nie woanders leben oder eine andere Arbeit als mein Vater machen.“ Dann fragte er: „Wie kam es eigentlich dazu, dass Sie sich für eine Karriere als Weinexpertin entschieden haben?“
„Nun, im Gegensatz zu Ihnen wusste ich lange nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Ich habe Kommunikationswissenschaft studiert, allerdings ohne ein konkretes Ziel. Als Belohnung für den Abschluss nahm mein Großvater mich dann auf eine Geschäftsreise nach Italien mit, wo er Wein einkaufen wollte. In Umbrien haben wir uns mit einem älteren blinden Winzer getroffen. Er war an den Rollstuhl gefesselt und in seinem ganzen Leben noch nie aus seinem Dorf herausgekommen. Aber er wusste alles über die Weine auf der ganzen Welt. Alsich ihn fragte, woher er sein Wissen hatte, sagte er mir, es wäre nicht nötig zu reisen, wenn man etwas über Wein lernen wollte. Man müsse ihn einfach nur trinken.“
Luc nickte. „Das stimmt.“
„Er hat es nie erfahren, aber dieser Mann und mein Großvater waren die beiden Männer, die mich dazu bewogen haben, mein Leben der Weinkunde zu widmen. Glücklicherweise hat meine Familie diesen Wunsch immer unterstützt.“
„Ja, ich habe auch den Eindruck, dass Sie ein ganz natürliches Talent dafür besitzen.“
„Danke. Das aus Ihrem Mund zu hören, bedeutet mir viel.“ Sie schwieg einen Moment. „Auf der Fahrt hierher hätte ich fast geweint, weil ich an den alten Winzer denken musste, der die Schönheit dieser Landschaft niemals sehen konnte.“
Nach dieser Bemerkung schwiegen sie beide eine Weile, während sie immer höher in die Berge fuhren und die Zivilisation langsam hinter sich ließen.
Wie in einem Mosaik setzte sich die Landschaft aus den verschiedenen terroirs zusammen. Nach einer langen Kurve erblickte Rachel ein kleines zweistöckiges Haus. Es krönte einen Hügel und erinnerte sie ein wenig an die Häuser, die sie im Schwarzwald gesehen hatte. Offensichtlich wurde daran noch gebaut. Direkt davor erstreckte sich ein kleiner Weinberg.
Zu ihrer Überraschung fuhren sie direkt darauf zu. Luc hielt den Wagen vor einer Garage an.
Rachel stieg aus und sah sich bewundernd um. Sie konnte sich von dem fantastischen Blick, der sich ihr von hier aus bot, kaum lösen.
„Ich habe das Gefühl zu träumen“, sagte sie andächtig. „So viel Schönheit tut fast weh.“
„Ich wusste, dass es Ihnen gefallen würde“, sagte Luc, der jetzt direkt hinter ihr stand.
„Heißt das, Sie bringen nicht alle Ihre Kunden hierher?“
„Nein, ich habe schon lange niemanden mehr getroffen, der so sensibel auf diese Umgebung reagiert. Wenn ich es mit Ihren Augen sehe, kann ich es noch mehr schätzen. Verstehen Sie, was ich damit sagen will?“
„Seit wann sind Sie eigentlich schon geschieden?“ Was sie zu dieser Frage bewogen hatte, konnte Rachel selbst nicht sagen.
Er rührte sich nicht, aber plötzlich lag ein dunkler Schattenauf seinem Gesicht, und der Funke der Begeisterung erlosch in seinen Augen.
„Seit drei Jahren.“
„Das tut mir leid für Sie, monsieur .“
„Ich heiße Luc. Ist das so schwierig?“
„Ein wenig“, gab sie zu. „Manchmal habe ich Probleme mit dem französischen
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