JULIA EXTRA BAND 0261
dichten Brauen und auch Lucs dunkelbraune Augen, mit denen sie sie gerade prüfend ansah.
Aber statt männlicher Bewunderung spiegelte sich in den Augen von Madame Chartier unverhohlene Abneigung.
„Ich bin Rachel Valentine, madame .“ Sie schluckte. „Es freut mich, Sie kennenzulernen.“
Die Spannung im Raum war fast mit den Händen zu greifen.
„Sie sind die Einkäuferin aus England.“
„Stimmt.“
Die Züge der älteren Frau verhärteten sich. „Auf der Weinstraße gibt es Hunderte von Hotels, in denen Sie ein Zimmer bekommen können. Warum sind Sie ausgerechnet hier gelandet?“
„Wegen des Sturms.“
„Ich verstehe.“
„Luc meinte, es wäre zu gefährlich, weiter in der Gegend herumzufahren.“
„War das vor oder nachdem Sie uns Ihren Auftrag zugefaxt haben?“
„Danach“, erwiderte Rachel aufrichtig. „Wir hatten Angst, dass die Rebstöcke durch den Sturm zerstört würden, deshalb habe ich Luc geholfen, sie festzubinden.“
„Ganz schön clever von Ihnen. Ein solches Hilfsangebot konnte mein Sohn ja schlecht abschlagen.“
„Hören Sie, Madame Chartier, ich …“
„Nein, Sie können sich Ihre Erklärungen sparen“, fiel Lucs Mutter ihr ins Wort. „Die Situation spricht für sich. Wann erwarten Sie meinen Sohn zurück?“
„Ich … Das weiß ich nicht. Er hat mir nur gesagt, dass er etwas zu erledigen hat. Wahrscheinlich muss er die Schäden inspizieren, die der Sturm in den anderen Weinbergen angerichtet hat.“
„Davon hätten ihm seine Manager längst berichtet. Nein, er wird wohl wie jeden Morgen ins Krankenhaus gefahren sein.“
Rachel runzelte die Stirn. Ob er dort im Vorstand war? Bei seiner Bekanntheit hätte sie das nicht gewundert.
„Wie ich sehe, hat er Ihnen nichts erzählt.“
„Wir kennen uns noch nicht so lange.“
„Lange genug, wie mir scheint.“
Die dunklen Augen, denen nichts entging, musterten anzüglich den Morgenmantel.
„Das ist übrigens ein Geschenk von Giselle, Lucs Schwester, zu seinem vierunddreißigsten Geburtstag. Bestimmt wäre sie überrascht, den Mantel an jemand anderem zu sehen.“
„Es tut mir leid, dass ich Ihnen diesen Anblick zumute. Ich kann mir denken, dass es ein Schock für Sie ist, mich hier vorzufinden.“
„Ein größerer Schock, als Sie sich vorstellen können.“
„Kein Wunder, dass Sie noch nichts von mir gehört haben. Ich bin ja erst Montag im Elsass angekommen.“
„Ja, das hat Giles mir erzählt. Wann wollen Sie denn wieder nach England zurück?“
„Das weiß ich noch nicht.“ Es hing von Luc ab. Wenn es allerdings nach seiner Mutter ginge, war jede weitere Minute zuviel, so viel stand fest.
„Mein Sohn hat sich schon viele Jahre lang mit keiner Frau mehr eingelassen. Ich habe das immer für eine weise Entscheidung gehalten.“
Rachel konnte nicht anders, sie nahm die Herausforderung an. „Haben Sie ein spezielles Problem mit mir?“
Sie musste eine Weile auf die Antwort warten.
„Ich kenne Sie nicht gut genug, um Sie zu mögen oder nicht zu mögen, mademoiselle. Aber Sie sind sehr schön. Mein Sohn müsste blind sein, wenn ihm das nicht aufgefallen wäre.“
Nun sah Rachel sie ganz unglücklich an. „Ich verstehe immer noch nicht, worum es geht.“
„Wie sollten Sie auch, wenn er Ihnen nichts gesagt hat?“
„Mir was nicht gesagt hat? Bitte, klären Sie mich auf, ich muss es wissen!“
Nachdenklich sah Lucs Mutter sie an. Offensichtlich wusste sie nicht, ob sie etwas sagen sollte oder nicht.
„Er hat eine Frau.“
„Luc hat mir gesagt, er wäre geschieden.“ Dass er sie angelogen hatte, konnte Rachel sich nicht vorstellen.
„Nicht in den Augen der Kirche. Zwei Tage nachdem die Scheidung rechtskräftig war, hatte Paulette einen schweren Autounfall. Sie hatte erkannt, dass die Scheidung ein Fehler war. Wenn Gott will, wird sie eines Tages aus dem Koma erwachen. Und dann werden sie wieder heiraten, denn sie haben nie aufgehört, sich zu lieben.“
Vor Schmerz stöhnte Rachel auf.
Seine Mutter sah sich um. „Dieses Haus hat er für sie gebaut. Als Geschenk, um den Neuanfang zu symbolisieren.“
„Wie lange liegt sie schon im Koma?“
„Seit drei Jahren.“
Drei Jahre?
„Er fährt jeden Tag ins Krankenhaus und hat nicht aufgehört, daran zu glauben, dass sie wieder erwachen wird. Seine Familie bekämpft ihn, sie wollen schon lange, dass die Maschinen abgestellt werden. Aber Luc will nichts davon hören, er setzt sein ganzes Vermögen ein, um das zu verhindern. Nicht
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