JULIA EXTRA BAND 0264
jedoch und wandte sich seinem Chefsekretär zu. âHör zu, Carlo, ich will die Lebensläufe aller Mitarbeiter in zehn Minuten auf meinem Laptop haben.â
Die Führungsriege der Firma Hannard reagierte sehr beunruhigt auf diese ÃuÃerung, doch Enricos Begleiter zuckte nicht mit der Wimper.
âDie Vorstandssitzung wird auf morgen verschobenâ, verkündete Enrico. âUnmittelbar vorher möchte ich mit dem Management sprechen. Das wärâs.â Enrico wandte sich ab, ging zu dem Schreibtisch, an dem bis vor Kurzem noch Josh Hannard gesessen hatte, und wartete darauf, dass die anderen Leute den Raum verlieÃen.
âAber wir wollten uns doch bei einem Arbeitsessen vorstellenâ, beschwerte sich einer der Manager.
âWenn ich Sie wäre, würde ich aufs Mittagessen verzichten und auswendig lernen, womit Sie sich Ihr Gehalt verdienenâ, antwortete einer von Enricos Leuten.
âAber Mr. Hannard â¦â
âMr. Hannard hat die Geschäftsleitung an Mr. Ranieri übergeben. Und der versteht keinen SpaÃ.â
Enrico lächelte, als er das hörte. Doch das Lächeln verging ihm sofort, als er den Blick gedankenverloren über die Dächer von London gleiten lieÃ.
Sein Sohn. Er hatte einen Sohn!
Das wird sie mir büÃen, dachte er wütend. Freya sollte ihn kennenlernen!
Freya saà im Park auf dem Rasen, von Enten umzingelt, die ihr Sohn mit Brotkrumen fütterte. Trotz des angenehm warmen Sommertages fröstelte sie. Ihr war immer kalt, wenn sie an Enrico dachte. Verletzter Stolz, Hass und Verachtung konnten die warmherzigste Frau in einen Eisblock verwandeln. AuÃerdem hatte sie Angst vor Enricos nächstem Schritt.
Sie verlagerte ihr Gewicht und blinzelte, als eine hungrige Ente nach ihrer Hand schnappte. Sie überlieà dem gierigen Vogel die Kruste und betrachtete Nicky. Der Kleine war in seinem Element. Lächelnd fütterte er die Enten und sah seinem Vater ähnlicher denn je.
Jetzt, da sie Enrico wiedergesehen hatte, fiel ihr die enorme Ãhnlichkeit erst recht auf. Nicky hatte Enricos schönes Gesicht mit den dunklen Augen, dem energischen Mund und dem markanten Kinn geerbt.
Die Tatsache, dass auch Enrico die Ãhnlichkeit sofort festgestellt hatte, hatte sie zutiefst getroffen. Er sollte sich nur nichts einbilden, schlieÃlich hatte er jede Verantwortung abgelehnt. Niemals würde sie ihm verzeihen, wie schäbig er sie behandelt hatte.
âVerschwinde aus meinem Lebenâ, hatte er vor drei Jahren gebrüllt. âDu hinterhältiges, verlogenes Luder. Ich will dich nie wiedersehen.â
Verbittert, kalt, herzlos, arrogant, überheblich, voreingenommen, taub ⦠Andere bezeichnende Wörter fielen ihr im Moment nicht ein, aber das reichte ja auch schon.
Vielleicht hat er seine Meinung Nicky betreffend geändert, dachte sie hoffnungsvoll. Ihr kleiner Junge war ihm immerhin wie aus dem Gesicht geschnitten. Doch auch Enricos Cousin Luca hatte das blendende Aussehen der Ranieris geerbt. Natürlich konnte der gemeine, verschlagene Kerl Enrico nicht das Wasser reichen, doch die Familienähnlichkeit zwischen den beiden war vorhanden. Daran würde auch Enrico sich inzwischen wieder erinnert haben.
Und dann fragte sie sich plötzlich, was Enrico im Foyer von Hannard zu suchen gehabt hatte? Er hatte die Firma doch wohl nicht etwa übernommen? Nicht auszudenken, dann wäre er wieder ihr Chef!
Nein, das konnte und durfte nicht wahr sein. Vielleicht war er mit Josh Hannard befreundet und wollte ihn zum Mittagessen abholen. Und ich bin die Kaiserin von China, dachte Freya und schüttelte verzweifelt den Kopf, denn sie wusste, dass Enrico Ranieri nur aus einem einzigen Grund mit seinem Gefolge irgendwo auftauchte: um eine Firma zu übernehmen. Jetzt würde er ihr das Leben erneut zur Hölle machen. Dabei hatte sie sich noch nicht einmal von seinem ersten Versuch erholt.
Vor drei Jahren war sie seine Chefsekretärin gewesen und hatte ein wunderbares Leben an seiner Seite und in seinem Bett geführt. Sie waren so vernarrt ineinander gewesen, dass sie es kaum ausgehalten hatten, auch nur fünf Minuten voneinander getrennt zu sein. Sie hatten sich voller Leidenschaft geliebt â bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
Dann hatte sie seinen Cousin kennengelernt, und innerhalb weniger Wochen war es vorbei gewesen mit der Idylle.
âAffeâ, sagte Nicky
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