JULIA EXTRA BAND 0272
spüren begann, raffte er sich auf, knipste das Licht an und zog sich einen Pulli, Socken und Schuhe an. Er konnte sich nicht wieder in das Bett legen, das sie eben noch geteilt hatten. Die Erinnerungen würden zu schmerzlich sein. Vielleicht würde ihm ein Spaziergang helfen? Verdammt, nichts würde ihm je helfen!
Er hatte geahnt, dass dieser Tag kommen würde. Seit Cath von eigenem Nachwuchs zu sprechen angefangen hatte, war ihm klar gewesen, dass er es ihr sagen musste. Vorher schien es nicht wichtig gewesen zu sein. Sie hatte in der Schule Kinder um sich, und er war sehr oft fort. Aber seit dem Herbst hatte sie am Telefon davon geredet und in ihren E-Mails davongeschrieben.
Warum konnte sie keine Frau sein, die völlig in ihrem Beruf aufging, oder die Lieblingstante von zahlreichen Neffen und Nichten, sodass eigene Kinder ihr nicht dermaßen viel bedeuteten? Warum konnte er ihr nicht genügen?
Er war in den letzten Monaten absichtlich nicht nach Hause zurückgekehrt, um das Unvermeidliche hinauszuzögern. Was ihm auch gelungen war. Er hatte seine Ehe noch um einige Wochen verlängern können, doch nun war sie zu Ende. Selbst wenn er in den Staaten arbeitete und jeden Abend bei Cath wäre, würde sie sich von ihm trennen. Jetzt bin ich bereit, mich beruflich zu verändern, überlegte er, während er nach unten ging, und es wird nichts nützen. Welche Ironie des Schicksals.
Sein Blick fiel auf den Weihnachtsbaum. Ja, es hatte etwas wehgetan, dass sie kein Geschenk für ihn gehabt hatte. Allerdings war sie auch von einem ganz anderen Gedanken beherrscht worden. Er hatte den Unbekümmerten gemimt und das Thema schnell erledigt, was er vielleicht nicht hätte tun sollen.
Unwillkürlich dachte er wieder daran, wie bezaubernd sie in dem neuen Nachthemd ausgesehen hatte. Zumindest war ihm diese Erinnerung vergönnt worden. Er wandte sich zur Küche und schaltete das Licht ein. Wo war die Whiskeyflasche von neulich? Wie sich die Dinge entwickelten, würde er wohl ein guter Freund des Alkohols werden.
Unvermittelt blieb er stehen. Nein, das war keine Lösung. Der Branntwein würde ihm nicht helfen und ihm lediglich einen schweren Kopf bescheren. Aber was sollte er jetzt um zwei Uhr morgens tun? Draußen war es zu dunkel, um spazieren zu gehen, und zu früh am Tag, um aufzubleiben. Nur fühlte er sich kein bisschen müde – sondern hauptsächlich verloren und traurig.
Erstaunt setzte er sich auf einen Stuhl und blickte aus dem Fenster. Er stand mit beiden Beinen im Leben, war ein renommierter Journalist und hatte Freunde und Bekannte auf drei Kontinenten. Dennoch war ihm, als hätte er ohne Cath, ohne ihre Beziehung, keinen Halt!
Dies empfand er nicht zum ersten Mal. Nach dem Tod seines Vaters war es ihm so ergangen. Und als seine Mutter sichganz ihrem zweiten Ehemann zugewandt, sich völlig hinter ihn gestellt und ihn, ihren einzigen Sohn, praktisch im Stich gelassen hatte.
Ärger stieg in ihm auf. Wenn Cath bloß einen Samenspender wollte, sollte sie ihn sich doch suchen. Wenn die Partnerschaft, die sie miteinander aufgebaut hatten, ihr nicht genügte, konnte er es nicht ändern. Er hatte um ihre Ehe gekämpft, aber bezüglich ihres Kinderwunschs war er machtlos.
Cath hatte lange gebraucht, bis sie endlich eingeschlafen war, und erwachte erst recht spät am nächsten Morgen. Könnte sie nur im Bett bleiben und sich vor dem Tag verstecken. Nein, du hast einiges zu tun, ermahnte sie sich sogleich. Insbesondere musste sie entscheiden, ob sie hierherziehen, sich von Jake trennen und ihr Leben neu in die Hand nehmen wollte.
Lautlos begann sie zu weinen. Wie hatte er ihr nichts erzählen können? Es zeigte deutlich, wie wenig stabil ihre Ehe war. Es stimmte, dass sie nie über Kinder gesprochen hatten, weder vor der Heirat noch danach. Allerdings hätte ihm klar sein müssen, dass sie irgendwann ein Baby hätte haben wollen.
Und selbst wenn man keine Kinder möchte, überlegte sie, würde ein Mann sich nicht trotzdem seiner Frau anvertrauen? Nur in einer gefestigten Beziehung. Was bei Jake und ihr offenbar nicht der Fall war!
Ihr Kopfkissen wurde allmählich nass. Es war gemein von Jake gewesen, darauf zu beharren, über Weihnachten zu bleiben, ihr zu erklären, er habe um einen Job in den Staaten gebeten, und ihr dann die Wahrheit zu sagen, als sie schon die schönsten Hoffnungen gehegt hatte.
Cath war vor Kummer ganz schwer ums Herz. Es würde nie einen kleinen Jungen mit seinen dunklen Haaren geben oder ein
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