JULIA EXTRA BAND 0272
erreichte sie vor ihr. Halb bang, halb atemlos hoffte sie, dass er sich dagegen lehnen und ihr den Weg versperren würde. Stattdessen öffnete er sie galant für sie und sagte lediglich: „Vergiss deinen Mantel nicht.“
„Also los, Jungs, ihr geht mit Matilda nach hinten. Es macht Ihnen doch nichts aus, Silas, wenn ich vorne bei Ihnen sitze, oder? Hinten wird mir immer schlecht.“
Kein Wort der Entschuldigung zu mir , kochte Matilda innerlich, während Cissie-Rose sich wie selbstverständlich auf dem Beifahrersitz des Jeeps niederließ.
„Ich will einen Fensterplatz.“
„Ich auch.“ Cissie-Roses Kinder kletterten bereits nach hinten.
„Sie müssen in der Mitte sitzen, Matilda“, erklärte Cissie-Rose – ganz so, als wäre Matilda nicht mehr als ein Dienstmädchen.
„Eins der Kinder wird in der Mitte sitzen, nicht Matilda“, schaltete sich da jedoch Silas ein. Er klang so bestimmt, dass niemand zu widersprechen wagte. „Die Jungs können sich abwechseln – einer hat auf der Hinfahrt den Fensterplatz und der andere auf der Rückfahrt.“
„Maria sitzt immer in der Mitte“, beschwerte sich der ältere der beiden Jungen.
„Vielleicht tut sie das. Aber Matilda ist nicht Maria.“
„Mein Gott, was für Umstände Sie bereiten, Matilda“, ließ sich Cissie-Rose abfällig vernehmen. Das Ganze entsprach so wenig der Wahrheit, dass Matilda viel zu überrascht war, umeine entsprechende Antwort zu geben.
„Soll das ein Jeep sein?“, fragte der ältere Junge verächtlich. „Ihr solltet mal unseren zu Hause dagegen sehen.“
„Schnall mich an“, sagte der andere wenig höflich zu Matilda.
Sie wollte sich gerade nach vorne beugen, um dem nachzukommen, als Silas sie am Arm festhielt. „ Würdest du mir bitte helfen, mich anzuschnallen, Matilda? Das wolltest du doch wohl sagen, oder?“
Matilda konnte nicht umhin, ein wenig Mitleid mit den Kindern zu haben. Sie waren noch so jung. Es war ganz offensichtlich, dass ihre Mutter sich nur nach Lust und Laune um sie kümmerte – wenn es ihr gerade passte, machte sie ein großes Aufhebens und Getue um ihre Söhne, ansonsten durften die beiden sie nicht stören.
Während der gesamten Fahrt nach Segovia konzentrierte Cissie-Rose ihre Aufmerksamkeit ausschließlich auf Silas – und zwar in solchem Maß, als wären Matilda und die Kinder gar nicht anwesend. Matilda tat es jedoch eher für die Jungen leid als für sich selbst. Silas hatte ihr bereits bewiesen, dass er keinerlei Interesse an Cissie-Rose hatte, und ohne recht zu wissen, wie es geschehen war, vertraute sie ihm.
Sobald die Kinder begriffen hatten, dass sie mit Matilda nicht wie mit Maria, ihrer jungen Nanny, sprechen konnten, akzeptierten sie ihre Ruhe und reagierten sogar darauf. Matilda mochte Kinder und genoss es, die Fahrt für die Jungs aufzulockern, indem sie ihnen ein paar einfache Reisespiele beibrachte und sich mit ihnen über ihre Lieblingsbücher und Sportarten unterhielt.
Silas konnte nur bewundern, wie hervorragend sie mit den beiden Kleinen umging. Irgendetwas in ihrer ruhigen, sachlichen Art, mit der sie zu ihnen redete, erinnerte ihn an seine eigene Kindheit. Es war ihm beinahe, als hätte er die Stimme seiner Mutter gehört und sein eigenes Lachen.
Kein Kind sollte ohne Mutter aufwachsen. Mit seiner Stiefmutter hatte er riesiges Glück gehabt, das wusste er, und er liebte sie aufrichtig, doch wenn er jetzt Matilda zuhörte, spürte er einen uralten Schmerz in sich. Rasch drehte er das Autoradio lauter, sodass die Stimmen und das Gekicher von hinten übertönt wurden. Cissie-Rose schenkte ihm ein zustimmendes Lächeln und fuhr sich mit der Zunge über die viel zu stark geschminkten Lippen. Als er darauf nicht reagierte, beugte sie sich zu ihm herüber und legte eine manikürte Hand auf seinen Oberschenkel.
„Ich bin so froh, dass Sie das getan haben“, hauchte sie rauchig. „Matildas Stimme ist ziemlich schrill, nicht wahr? Vermutlich liegt es an ihrem englischen Akzent. Ich war kurz davor, Kopfschmerzen zu bekommen. Was sagten Sie, wie lange kennen Sie sich schon?“
„Ich habe gar nichts gesagt“, entgegnete Silas kühl.
„Sie hat großes Glück gehabt, einen Mann wie Sie zu bekommen.“
„Das Glück ist ganz auf meiner Seite“, widersprach er.
Cissie-Rose machte ihm eindeutige Avancen, und wenn er sie nur ein wenig ermutigte, würde sie ihm vermutlich die Informationen geben, die er brauchte. Doch allein der Gedanke löste sofort einen solchen Ekel und
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