JULIA EXTRA Band 0276
redete, da er die Verwandtschaftsverhältnisse genau kannte, aber ein wenig Provokation konnte vielleicht nicht schaden.
„Phillippa ist nicht mit uns verwandt“, klärte Luc ihn auf. „Sie ist unsere Freundin.“
„Phillippa ist unsere Tante“, sprang ihm Sophie zur Seite, wurde aber gleich von ihrem Bruder zurechtgewiesen.
„Nein, das ist sie nicht. Sie und Mummy waren beste Freundinnen, und Phillippa hat versprochen, auf uns aufzupassen wie eine Tante. Aber das ist sie nicht wirklich.“
„Ich wünschte, sie wäre es“, wisperte Claire.
„Ich bin genauso gut wie eine echte Tante. Nur viel strenger. Mehr wie eine Glucke, oder?“ Während sie sprach, starrte sie Max warnend an. Ihr Blickduell dauerte einige Sekunden, bis er den Kopf abwandte.
Ob sie ahnte, warum er gekommen war? Er musste es ihr sagen, aber dies war definitiv nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Vielleicht später, wenn alle satt waren …
„Wo ist dieses ominöse Melkcape ?“
„Ich gebe es Ihnen sofort.“ Phillippa zog eine Geldbörse hervor, holte zwei Scheine und eine Handvoll Münzen heraus und legte alles vor Max auf den Tisch. „Unser Budget für den Rest der Woche beläuft sich auf zweiunddreißig Dollar und fünfzig Cent. Dafür kaufen Sie bitte Fisch und Chips, Brot, Marmelade, ein Nudelfertiggericht und etwas billigen Käse, ja? Der Rest ist für Hundefutter … das billigste.“
Max starrte ungläubig auf das Geldhäuflein. „Das ist ein Scherz, oder?“
Dass es keiner war, konnte er unschwer an Phillippas glühenden Wangen erkennen.
„Wir sind momentan etwas knapp bei Kasse“, gab sie widerstrebend zu. „Unsere Kühe sind … infiziert, natürlich nur auf einem ganz niedrigen Level! Wir selbst trinken unsere Milch ohne Bedenken, aber die Molkereigenossenschaft weigert sich, sie abzunehmen. Wir brauchen eine Woche lang ein keimfreies Melkergebnis, um mit dem Milchertrag wieder Geld verdienen zu können.“
„Und wir haben kein Geld für neue Kühe“, fügte Luc ernst hinzu. „Phillippa sagt, wir sitzen in einem Boot mitten auf dem Fluss, aber ohne Paddel.“ Das hörte sich aus seinem Mund eher aufregend und abenteuerlich als beklommen an, aber Max sah, wie Phillippa schmerzlich zusammenzuckte.
„Das ist nicht Mr. de Gautiers Problem“, wies sie den Jungen sanft zurecht. „Aber Tatsache ist, dass wir momentan sparsam leben müssen. Ich wäre Ihnen also ausgesprochen dankbar, wenn Sie die notwendigen Einkäufe für uns erledigen könnten. Ansonsten kommen wir sehr gut alleine zurecht.“
„Was ist mit Obst?“, fragte Max, während er stirnrunzelnd die kurze Liste überflog, die Phillippa ihm mit dem Geld über den Tisch geschoben hatte. „Sie wollen doch sicher keinen Skorbut riskieren?“
„Niemand bekommt Skorbut, wenn er mal eine Woche auf Obst verzichtet“, entgegnete sie steif.
„Nein, aber …“ Ihr Blick brachte ihn zum Schweigen. Es lagen Stolz und ein stummer Vorwurf darin, und auch noch … Verzweiflung?
Wenn er die Lage richtig einschätzte, saß diese tapfere junge Frau mit drei kleinen Kindern, einem alten Hund und einem Haufen kontaminierter Kühe auf einer maroden Farm fest und hatte nicht einmal genug zu essen.
Sie war nicht blutsverwandt mit den Kindern. Warum war sie noch hier?
Noch vor wenigen Stunden hätte Max jeden Eid geschworen, spätestens am Ende der Woche wieder im Flieger zu sitzen. Mit Luc. Und Phillippa, wenn sie wollte. Doch inzwischen beschlichen ihn diesbezüglich fast im Minutentakt neue Zweifel.
Was sollte mit den Zwillingen geschehen? Und was mit Dolores?
Schluss mit den Grübeleien! In diesem Stadium führten sie ohnehin zu nichts. Max straffte die Schultern und griff nach dem pinkfarbenen Minischirm. Erst mal den Einkauf erledigen, dann würde er weitersehen …
2. KAPITEL
Tanbarook erwies sich als ein sehr kleiner, sehr überschaubarer Ort.
Neben einem Pub, einer Schule und zwei Kirchen gab es noch eine Handvoll Läden mit unterschiedlichen Angeboten. Alles wirkte seltsam verlassen, außer dem Stück Straße vor dem Supermarkt, wo drei Autos hintereinander parkten. Ein echter Tanbarook-Massenauflauf, dachte Max spöttisch.
Als er den Laden betrat, wandten vier Frauen die Köpfe und starrten ihn an, als käme er geradewegs vom Mars. Sie standen alle im Bereich der Kasse, eine hinter dem Tresen, die drei anderen davor.
„Guten Tag“, grüßte Max sie mit einem Lächeln, das er für verbindlich hielt. Dann griff er nach einem Einkaufswagen und
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