JULIA EXTRA Band 0286
nicht.“
„Aber du gibst zu, dass es Liebe ist?“
„Nein. Was du Liebe nennst, ist schlecht für mich.“ Jetzt endlich erkannte sie den metallischen Geschmack, den sie schon seit einiger Zeit im Mund spürte. Es war Furcht. Panische Angst, um genau zu sein. Sie konnte ihn nicht in ihr Herz lassen, denn beim ersten Mal hätte es sie fast zerstört. Ein zweites Mal enttäuscht zu werden, würde sie nicht überleben.
Miguel zu lieben, war tatsächlich tödlich.
„Zwischen uns lässt sich nichts mehr retten“, schloss sie.
„Das sehe ich anders. Und ich werde dich davon überzeugen.“
Amber schüttelte nur den Kopf.
„Damals habe ich dir Barcelona gezeigt. Wirst du mir diesen Gefallen auch erweisen und mich durch Boston führen?“
„Wenn ich es tue, gehst du dann?“, fragte sie verzweifelt.
„Das kann ich nicht.“ Zumindest log er sie nicht an. „Ich brauche dich. Und ich glaube, du brauchst mich auch. Ich werde dir beweisen, dass du mir vertrauen kannst.“ Nachdenklich schaute er sie an. „Deine Schwester hält es für eine gute Idee.“
„Meine Schwester glaubt auch an Märchen und erlebt gerade ihr persönliches Happy End.“
„Vielleicht kann ich dich überzeugen, ebenfalls wieder daran zu glauben.“
Statt zu antworten, stand Amber auf, ging zu ihrer Kommode und nahm einen Stapel Bilder aus einer Schublade. Sie warf ihm den Packen zu.
Während er die Fotos betrachtete, holte Miguel scharf Luft. Flüche in mehreren Sprachen erfüllten den ansonsten stillen Raum.
Was genau ihn so wütend machte, vermochte sie nicht zu sagen. Ihr Agent hatte die Bilder an ihre Familie geschickt, als ihr Untergewicht bedrohliche Formen angenommen hatte. Sie zeigten ihren Gewichtsverlust von schlank zu lebensbedrohlich dünn. Wegen dieser Fotos hatte ihre Familie sie an jenem Tag in Kalifornien erwartet.
„Dich zu lieben, ist gefährlich für mich.“
„Aber doch nur, weil ich meine Liebe für dich nicht wahrhaben wollte.“
„Ich wäre fast gestorben, Miguel. Unser Baby ist tot.“
„Und dafür trage ich ebenso sehr die Verantwortung wie du … vielleicht mehr.“
„Nein. Vielleicht. Ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass ich deine Liebe nicht will.“
„Ich fürchte, dir bleibt keine Wahl.“ Mit beiden Händen umklammerte er die Armlehnen. „Es tut mir mehr leid, als ich mit Worten ausdrücken kann, dass ich dir wehgetan habe, querida. Doch wenn ich in den letzten sechs Monaten etwas gelernt habe, dann, dass sich Liebe jedem Befehl widersetzt. Und dafür bin ich dankbar, denn ohne dich kann ich nicht mehr glücklich sein. Wir werden wieder zueinander finden.“
„Nein, das werden wir nicht.“
„Gib mir Zeit … Zeig mir deine neue Heimat, verbring deine Tage mit mir. Gib uns eine Chance.“
„Davor habe ich Angst.“
„Ich auch.“
Ungläubig starrte sie ihn an.
Diesmal schüttelte Miguel den Kopf. „Glaubst du nicht, dass ich, nachdem ich diese Fotos gesehen habe, furchtbare Angst habe?“
„Das verstehe ich nicht.“
„Sag mir, wie du dich fühlen würdest, wenn ich von einem Bus überfahren und im Krankenhaus mit dem Tod ringen würde.“
Ambers Herz hörte eine Sekunde auf zu schlagen. „So etwas darfst du nicht sagen!“
„Genau. Diese Bilder jagen mir eine Heidenangst ein, weil sie mir zeigen, wie zerbrechlich dein Leben war. Das werde ich nie wieder zulassen.“
„Nur ich kann es aufhalten.“
„Ich helfe dir.“
Wie gern wollte sie ihm glauben. „Ich zeige dir Boston … ein bisschen.“
Die Einschränkung ließ ihn lächeln.
„Kein Sex“, erklärte Amber.
Ein schmerzlicher Ausdruck stahl sich in seine Augen. „Verstanden.“
Am ersten Tag blieb Amber standhaft, ebenso am zweiten und am dritten. Doch Miguel wohnte weiterhin im Haus ihres Vaters. Er war da, wenn sie zum Frühstück kam. Er besuchte sie in der Mittagspause im Büro und lud sie zum Lunch ein. Er erwartete sie nach ihrem Feierabend. Er saß mit am Tisch, wenn die Familie zu Abend aß und behandelte ihre Eltern mit einer Freundlichkeit, die jede anfängliche Feindseligkeit vergessen ließ.
Und alles fühlte sich beängstigend richtig an.
Und Amber zeigte ihm Boston – wie versprochen. Während sie Touristen spielten, kehrte auch ihre lockere entspannte Kameradschaft zurück. Allmählich freute Amber sich auf die gemeinsamen Ausflüge, weil ihre Gedanken in seiner Gegenwart zur Ruhe kamen.
Sie fühlte sich nicht mehr so emotional aufgewühlt wie am ersten Tag, als Miguel ihr gesagt
Weitere Kostenlose Bücher