JULIA EXTRA Band 0286
sie sich jetzt nicht aufhalten, sie wollte einfach nur weg von hier. Die Intensität ihrer eigenen Gefühle machte ihr Angst. Das und das verächtliche Lachen des Mannes, das plötzlich wieder in ihrem Kopf hallte.
Als sie nach draußen gelangte, merkte Ellie, dass Alexander direkt hinter ihr war.
„Meinst du nicht, es ist an der Zeit, dass du mir verrätst, worum es hier eigentlich geht?“
Er versuchte, sie am Arm zu greifen, doch sie schüttelte ihn ab. „Geh zurück zu deinen Freunden!“ Wild gestikulierte sie in Richtung Restaurant.
„Nein, Ellie, ich will bei dir sein.“
In diesem Moment ging ein Mann an ihnen vorbei. Er rauchte eine dicke Zigarre. Urplötzlich rauschte das Blut in Ellies Ohren. Sie konnte Alexander nicht hören. Er sagte etwas, das sah sie an seinen Lippenbewegungen, aber sie war wie taub.
„Komm zurück, Ellie!“
Um nichts in der Welt würde sie anhalten. Sie rannte einfach nur in die Nacht hinaus, in die wohltuende Dunkelheit. Doch Alexander holte sie ein.
Gegen die kalte Hafenmauer gepresst, sank Ellie zu Boden. Sie zog die Knie an und schlang die Arme um die Beine. Dann vergrub sie ihren Kopf auf den Knien.
„Ellie …“ Alexander kauerte sich neben sie.
„Es tut mir leid.“ Sie hielt ihr Gesicht weiter versteckt. „Ich weiß, dass ich mich furchtbar benommen habe, und ich entschuldige mich.“ Jetzt geh weg. Ich will nicht, dass du mich so siehst. Ich kann es nicht ertragen, wenn irgendjemand mich so sieht und Mitleid mit mir hat … Allmählich drang ihr ins Bewusstsein, dass Alexander sich nicht bewegt und sie auch nicht berührt hatte. Er sagte auch kein Wort. Er war einfach nur da, für den Fall, dass sie ihn brauchte.
Sie drehte leicht den Kopf und schaute ihn an. „Entschuldige“, wisperte sie, „ich weiß nicht, was über mich gekommen ist.“
Auch er wusste es nicht, aber er schwor sich, dass er es herausfinden würde – egal, wie lange es dauern oder was es ihn kosten würde. Als sie aufstand, versuchte er nicht, ihr zu helfen. Sie brauchte Raum, das wusste er. Bereits früher war er Menschen begegnet, die ein Trauma erlebt hatten, und daher wusste er, wie gut sie sich hinter einer Maske verstecken konnten. Er wusste auch, was geschah, wenn die Maske herunterfiel. Dann brauchte Ellie jemanden, der für sie da war.
Er würde für sie da sein.
Die Erkenntnis durchzuckte ihn wie ein Blitz. Wie lange war es her, dass er solche Gefühle für einen anderen Menschen gehabt hatte?
„Es war ein langer Tag“, sagte Ellie leise. „Ich muss jetzt wirklich ins Bett“, fügte sie hinzu. „Ich hoffe, du verzeihst mir.“
„Ich begleite dich noch zum Boot“, erwiderte er, sorgfältig darum bemüht, Distanz zu wahren.
Sie gingen Seite an Seite. Er war froh, als ihre Schritte wieder sicherer wurden. Keinesfalls würde er sie drängen – egal in welche Richtung. Sie war stark, aber auch sehr verletzlich.
„Vielen Dank“, sagte sie förmlich, als sie die Gangway ihres Boots erreichten. „Es tut mir leid, dass ich derart zusammengebrochen bin. Ich habe an meinen Vater gedacht.“
Er glaubte ihr kein Wort, denn das, was er gesehen hatte, das war keine Trauer gewesen, sondern Panik. „Solange du nur keine Angst vor mir hast …“
„Natürlich habe ich Angst vor dir, Alexander“, neckte sie ihn leicht. „Sollte nicht jede vernünftige Frau zittern, wenn der große Alexander Kosta vor ihr steht?“
„Das heißt, du bist jetzt also vernünftig, ja?“
Ihre Blicke begegneten sich. Das kurze amüsierte Aufblitzen in Ellies Augen war genug für ihn.
Genug für was? Wie konnte er das sagen, wenn er sie in diesem Moment am liebsten in die Arme gerissen hätte, um sie zu lieben? „Vor mir brauchst du nicht zu zittern“, sagte er ernst.
„Wirklich?“, versetzte sie und hob die Augenbrauen, so als müsse sie darüber nachdenken. „Vielleicht stimmt etwas nicht mit mir.“
„Oh, da fällt mir ein“, fügte sie hinzu und holte ihn damit wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. „Ich habe dich für deine Arbeit heute noch gar nicht bezahlt.“
„Sagen wir, wir sind quitt, okay?“
„Dann lass mich wenigstens fürs Dinner bezahlen.“
„Das ist nicht nötig, Ellie. Schlaf dich aus.“ Er wandte sich zum Gehen.
„Alexander?“
„Ja?“
Die Sekunden verrannen. Die Nacht war voller Möglichkeiten …
„Nichts“, sagte sie und brach damit den Zauber. „Nur …“ Sie zuckte die Achseln. „Danke.“
„Es war mir ein Vergnügen.“ Er
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