JULIA EXTRA Band 0286
und das bedeutete, dass auch die Fischerboote umziehen mussten. Es war zwar ein Genuss zu sehen, wie ihr Gesicht während ihrer leidenschaftlichen Rede immer lebhafter wurde, doch jetzt war es an der Zeit, das Ganze zu beenden. Sie hatte ihre fünf Minuten gehabt. „Wann sagten Sie, würden Sie Ihren Ankerplatz verlassen?“
„Ich habe nicht …“ Sie wurde blass. „Sie haben mir überhaupt nicht zugehört, stimmt’s?“
Er stand auf und trat ans Fenster. Er hatte schon viel zu lange gesessen. Ellie Mendoras hatte keine Chance gegen ihn.
„Ich glaube, dass Ihnen die Prominenten, die Sie hier auf Lefkis ansiedeln wollen, viel wichtiger sind als die Menschen, die tatsächlich hier leben“, warf sie ihm bitter vor.
Jetzt reichte es ihm endgültig. Mit einem Ruck drehte er sich zu ihr um und blitzte sie an. „Es steht Ihnen nicht zu, solche Urteile zu fällen. Was wissen Sie schon über mich? Verzeihen Sie, Kiria Theodopulos“, fühlte er sich gezwungen, hinzuzufügen. Gott sei Dank hielt die alte Dame den Kopf gesenkt.
„Sie tun mir leid, Alexander …“
„Ach ja?“ Wütend starrte er Ellie an. Gab diese Frau eigentlich nie auf? „Ihr Mitleid können Sie sich sparen.“
Mit einem erneuten Ruck drehte er sich wieder um und wandte ihr den Rücken zu. Bewegungslos starrte er aus dem Fenster. Ihr anhaltender Widerstand machte ihn zornig. Er war sich ihrer Weiblichkeit überdeutlich bewusst, und am liebsten hätte er die Leidenschaft zwischen ihnen auf andere Weise ausgelebt. Schnell. Gegen die Wand, um die Spannung abzubauen. „Das Meeting ist beendet“, erklärte er kalt. Zum Glück setzte die Vernunft wieder ein.
Er wollte bereits ein Ultimatum formulieren, als sein Blick dem von Kiria Theodopulos begegnete. Also gut, um ihretwillen – und nur um ihretwillen – würde er Ellie noch ein Friedensangebot machen. „Hat mein Agent Ihnen nicht gesagt, dass Sie abgesehen von der lächerlich geringen Miete für den neuen Liegeplatz eine großzügige Entschädigung dafür bekommen, dass Sie den Tiefseehafen verlassen?“
Was auch immer er als Reaktion erwartet hatte, es war nicht das, was Ellie zeigte. Sie ballte die Hände zu Fäusten und trat mehrere Schritte auf ihn zu. „Eine Unterschrift von Ihnen – mehr ist nicht nötig, um das Leben eines anderen Menschen zu ruinieren, ja? Glauben Sie mir, damit kommen Sie nicht durch!“
„Es ist ein absolut vernünftiges Angebot.“ Er schaute zu Kiria Theodopulos hinüber, ob er nicht von dort Unterstützung bekam, doch die alte Dame schien sich taub zu stellen. „Die Zeiten ändern sich, Ellie, und wir uns auch.“
„Ach ja?“ Sie hob eine Augenbraue. „Das Erbe dieser Insel bedeutet Ihnen also nichts? Sie haben Lefkis gekauft, und deshalb können Sie damit jetzt machen, was Sie wollen?“
„Richtig“, entgegnete er. Er war froh, dass sie endlich zur Vernunft kam.
„Dann fürchte ich mich vor den Konsequenzen“, erklärte sie grimmig.
„Was wollen Sie damit sagen?“, erwiderte er drohend.
„Wenn Lefkis gerade Ihr neuestes Spielzeug ist, was passiert, wenn Sie die Insel satt haben? Werfen Sie sie einfach wieder aus der Spielkiste?“
„Darauf erwarten Sie keine Antwort von mir.“
„In den Tagen meines Vaters wäre das nie passiert“, sagte sie und schüttelte frustriert den Kopf.
Es war an der Zeit für ein paar Wahrheiten. „In den Tagen Ihres Vaters gab es weder ein Krankenhaus noch eine Schule auf der Insel. Die Leute starben an der Grippe, weil kein Arzt schnell genug vom Festland auf die Insel kommen konnte. Zur Zeit Ihres Vaters war Lefkis nicht mehr als ein gottverlassener Haufen Felsen, der den Menschen kaum genug zum Leben bot …“
„Aber die Leute sind geblieben“, erwiderte sie heftig. „Und warum wohl?“
Ehe er ihr sagen konnte, dass diese Menschen nirgendwo anders hingehen konnten, schilderte sie ihm bereits ihre Sicht der Dinge.
„Sie sind geblieben, weil Lefkis ihr Zuhause war, ihre Gemeinschaft, ihre Familie. Sie sind geblieben, weil sie die Insel genauso sehr lieben wie ich. Sind die vielen traditionellen Feste etwa eine Modeerscheinung? Nein. Sie werden auf Lefkis bereits seit Hunderten von Jahren gefeiert. Erleben die Touristen, die extra deshalb hierherkommen, eine inszenierte Show, mit der man sie um ihr Geld bringen will? Sind diese Menschen Schauspieler oder oberflächliche Scharlatane?“
Während sie auf Kiria Theodopulos deutete, redete sie voller Inbrunst weiter. „Glauben Sie das wirklich,
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