Julia Extra Band 0293
Prüfung bestehen. Nur welche?
„In Ordnung“, sagte er abrupt und ließ seinen Mantel über die breiten Schultern gleiten. Dann reichte er ihn ihr. „Hängen Sie ihn weg, und dann müssen wir reden!“
Ich kenne diesen Mann eigentlich überhaupt nicht, dachte sie, als sie im Flur stand. Und ich habe nicht die geringste Ahnung, was er von mir will …
„Ich habe ein paar wichtige Details ausgelassen, die unsere Reise betreffen“, begann er, nachdem sie in die Küche zurückgekehrt war. „Ich muss nach Sint Rimbert, um mich für einen ausgesprochen wichtigen Auftrag zu bewerben. Jan Hassell, dem beinahe die ganze Insel gehört, hat sich dazu entschlossen, ein Luxusresort zu bauen. Und natürlich ist es sehr wichtig für ihn, dass der Architekt seiner Wahl sich entsprechend präsentiert.“ Er machte eine Pause und sah sie erwartungsvoll an.
„Ich verstehe“, entgegnete sie tonlos, obwohl das eine glatte Lüge war.
„Tun Sie das? Dann dürfte Ihnen wohl auch klar sein, dass ich nicht mit einer Sekretärin anreisen kann, die nur eine zweitklassige Garderobe besitzt.“
Susan zuckte merklich zusammen. Es war beschämend, dass sie offenbar nicht über die notwendige Ausstattung für eine solche Dienstreise verfügte. „Sie könnten mir sagen, was ich mitbringen soll“, schlug sie halbherzig vor.
Julian schüttelte den Kopf. „Meines Wissens besitzen Sie keine Kleider dieser Art.“
Stolz hob sie ihr Kinn. „Wenn ich Ihnen nicht modisch genug bin, finden Sie sicherlich im Büro eine andere Kraft, die Ihren hohen Anforderungen entspricht.“
„Mit Sicherheit“, gab er zu, „aber ich will Sie mitnehmen.“
„Nun, ich werde tun, was ich kann“, antwortete sie ausweichend. „Gibt es sonst noch etwas, das Sie mit mir besprechen wollen, Mr. Douglas?“
„Wir sollten zum Du übergehen“, sagte er unumwunden.
„Wieso?“ Susan war verblüfft, fasste sich aber im nächsten Augenblick wieder. „Aber wenn Sie … wenn du es wünschst, warum nicht?“ Schließlich war er ihr Vorgesetzter und konnte die Regeln nach Belieben festsetzen, sogar in ihrem eigenen Haus. „Ist das alles?“
„Nein.“ Sein starrer Blick raubte ihr langsam, aber sicher die Selbstkontrolle.
Richtig erschüttert war sie aber erst, als er sich ohne ein weiteres Wort zu verlieren umdrehte und auf die Treppe zusteuerte.
„Was soll das? Wo willst du hin?“, rief sie irritiert und folgte ihm.
„Nach oben“, erwiderte er ungerührt und stieg mit langen Schritten die Treppe hinauf. Im Obergeschoss öffnete er ein paar Türen, die zu unbenutzten Schlafzimmern führten. „Das hier ist ein wahres Mausoleum“, murmelte er. „Warum lebst du hier allein?“
„Es ist mein Zuhause“, antwortete sie scharf und baute sich entschlossen vor ihm auf. Sein übergriffartiges Verhalten ging jetzt langsam wirklich zu weit. „Was willst du eigentlich hier, Julian? Einmal abgesehen davon, sich wie ein Elefant im Porzellanladen aufzuführen?“ Für wenige Sekunden vergaß sie, dass sie mit ihrem Arbeitgeber sprach.
„Ich will mich vergewissern, ob du über eine adäquate Garderobe verfügst.“
Und ehe Susan sich’s versah, standen sie in ihrem Schlafzimmer vor dem ungemachten Bett. Sie konnte kaum fassen, was Julian sich ihr gegenüber herausnahm. Stumm und wütend sah sie dabei zu, wie er einen prüfenden Blick in ihren Kleiderschrank warf.
„Wie ich es mir gedacht habe“, brummte er.
Susan holte tief Luft. „Ich entspreche nicht dem Bild der Frauen, mit denen du dich laut der einschlägigen Presse umgibst, das wissen wir wohl beide. Und jetzt möchte ich, dass du aus meinem Haus verschwindest! Die Tatsache, dass ich für dich arbeite, gibt dir nicht das Recht, hier in meinen Sachen herumzuschnüffeln.“
„Ich gehe“, lenkte er ein. „Aber du kommst mit mir!“
„Wie bitte?“ Sie schnappte nach Luft. „Warum sollte ich das tun?“
„Du hast keine passenden Sachen, also kaufen wir dir welche.“
„Ich will aber nicht …“
„Es geht nicht darum, was du willst. Dies ist eine höchst wichtige dienstliche Anweisung, und es geht um einen einzigartigen Auftrag. Daher zählt nur, was ich will, damit das klargestellt ist!“
Einen Moment lang war Susan zu überrumpelt, um die richtigen Worte zu finden. Am liebsten hätte sie vor Frust laut geschrien. Doch die Vernunft gewann rechtzeitig Überhand. „Schön. Dann gehe ich davon aus, dass die Rechnungen vom Büro übernommen werden?“
Ein wissendes Lächeln
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