Julia Extra Band 0293
ging.
„Mit achtundzwanzig Jahren schon ein Gluckensyndrom“, murmelte sie spöttisch, um sich selbst aufzuheitern. Dann stellte sie das Küchenradio laut und ging nach oben, um sich umzuziehen.
Er hatte eine Frau gefunden. Julian wusste, dass er nun keine Fehler machen durfte. Es war ein schwieriges Unterfangen, solch eine Täuschung aufrechtzuerhalten.
Trotzdem war er sicher, seine Sekretärin fest im Griff zu haben. Jemandem wie ihr war am besten mit Einschüchterung beizukommen. Miss Chandler war eine dieser typischen unglücklichen Personen, die ihr Leben lang von anderen benutzt wurden, ob sie es nun wollte oder nicht.
Nutze die Menschen aus, oder sie werden dich ausnutzen.
Julian bevorzugte stets Ersteres.
Obwohl er froh war, seine Wahl in Bezug auf eine angebliche Ehefrau getroffen zu haben, konnte er sich nicht entspannen. Schließlich hatte er die Situation noch immer nicht völlig unter Kontrolle.
Würde seine Sekretärin als Ehefrau überzeugen? Noch hatte er ihr nicht eröffnet, was genau von ihr erwartet wurde. Das wollte er erst im Flugzeug tun, wenn es kein Zurück mehr für sie gab.
Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln. Wenn sie Skrupel hatte, würde er ihr einfach Geld anbieten. Niemand lehnte die Aussicht auf leicht verdientes Bares ab.
Obendrein war es mehr als offensichtlich, dass Miss Chandler ein kleines Extragehalt gut gebrauchen konnte. Ihre Erscheinung sprach hinsichtlich ihrer Kleider und ihres kosmetischen Aufwands Bände!
Plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. Er stellte sich vor, wie sie mit einem kleinen Koffer voller schmuckloser Outfits am Flughafen auftauchte – mit den Kleidern einer Sekretärin, nicht mit denen einer Ehefrau.
Dieses Problem musste er sofort aus der Welt schaffen. Mit einem unterdrückten Fluch auf den Lippen griff er nach seinem Mantel und eilte aus dem Büro.
Wegen des lauten Radios hörte sie das Klopfen an der Tür zuerst nicht – erst als das Geräusch zu einem heftigen methodischen Krach anschwoll.
Susan legte ihr Küchenmesser beiseite, stellte die Musik leiser und eilte mit klopfendem Herzen zur Tür.
Wer hämmert derart heftig gegen eine Wohnungstür, schoss es ihr durch den Kopf. Polizei oder vielleicht ein Betrunkener?
Durch das schmale Fenster am Flur erkannte sie Julian, und ihr Herz setzte einen Schlag aus. Mit bebenden Händen fuhr sie sich durch die Haare und schloss dann auf.
„Mr. Douglas?“ Unsicher sah sie ihn an und wunderte sich über seinen finsteren, abweisenden Gesichtsausdruck. Trotz seiner Grabesmiene war er ein ausgesprochen attraktiver Mann, das wusste sie bereits seit dem ersten Tag, den sie für ihn gearbeitet hatte.
„Ich muss mit Ihnen sprechen. Kann ich hereinkommen?“
Sie nickte, obwohl sie sich in ihrem alten T-Shirt und mit den Tomatensoßenflecken an den Händen nicht gerade präsentabel fühlte.
Der Flur ihres Elternhauses war endlos lang, doch Julian schien diesen Platz allein durch seine Persönlichkeit vollständig auszufüllen. Susan fühlte sich klein und überflüssig, erst recht, als sie bemerkte, wie er einen abschätzenden Blick über die marode Einrichtung schweifen ließ. Aus der Küche ertönte ein zischendes Geräusch, und mit einer murmelnden Entschuldigung rannte Susan fort, um ihre Tomatensoße vom Herd zu retten – leider zu spät.
Als sie sich wieder umwandte, stand Julian beinahe direkt hinter ihr und betrachtete mit ausdruckslosem Gesicht die erbärmliche Szene, wie sie den übergekochten Topf mehr schlecht als recht zu reinigen versuchte.
Sie lief dunkelrot an. „Entschuldigen Sie, ich war gerade dabei, mir etwas zu kochen“, verteidigte sie sich und schaltete das Radio ganz aus. „Möchten … möchten Sie vielleicht mitessen?“
Wortlos starrte er sie an und zog nur leicht eine Augenbraue hoch. Susan biss sich auf die Unterlippe. Schließlich wusste sie durch ihre Arbeit im Büro, dass er nur in erstklassigen Restaurants zu dinieren pflegte, vorzugsweise mit einer atemberaubenden Schönheit an seiner Seite.
Was tat er dann um diese Uhrzeit bei ihr?
Am liebsten hätte sie sich gleich noch einmal entschuldigt. „Darf ich Ihnen wenigstens den Mantel abnehmen?“
Noch immer sah Julian sie auf eine Art an, die Susan äußerst unangenehm war. Eigentlich hatte er ihr nie zuvor große Aufmerksamkeit geschenkt. Sie war lediglich jemand, der Unterlagen heranschaffte und das Telefon beantwortete. Und jetzt betrachtete er sie plötzlich, als müsste sie irgendeine
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