Julia Extra Band 0318
fertig.
Sie standen am Geländer der Plattform, dicht nebeneinander, aber ohne sich zu berühren. Anstelle von Freude über das vollbrachte Werk empfand sie Trauer über etwas, das nun zu Ende ging. Und neben ihr schien Ben dasselbe zu fühlen.
„Es ist schon zu spät, um die Blumen für die Schmetterlinge auszusäen“, sagte er. „Ich gebe Ihnen eine Liste, dann können Sie es im nächsten Frühjahr selbst machen. Die Hängematte werden Sie wohl auch nicht mehr aufhängen wollen, dafür ist es schon zu kalt.“
„Sie“, nicht „wir“. Beth bemerkte den Unterschied sehr wohl.
Ben hatte recht. Fast unbemerkt war aus September Oktober geworden. Die Luft fühlte sich schon herbstlich kühl an.
„Warten Sie“, bat sie, „ich habe da noch etwas.“ Sie ging ins Haus, um den Champagner zu holen, den sie vor langer Zeit für einen besonderen Anlass gekauft hatte, der nie stattgefunden hatte.
Mit der Flasche und zwei Gläsern stieg sie die Treppe hinauf. Sie war fest entschlossen, jeden Schluck zu genießen. Schluck für Schluck würde sie die gemeinsame Vergangenheit hinter sich lassen und ihr keine Träne nachweinen.
Aber als sie die Plattform erreichte und Ben am Geländer stehen sah, wusste sie plötzlich, dass sie die Vergangenheit schon längst hinter sich gelassen hatte. Ihre Vergangenheit. Durch ihn war sie eine andere Frau geworden. Das könnte er ihr nicht mehr nehmen, selbst wenn er ging.
„Wollen Sie die Flasche am Bug zerschlagen?“, scherzte er, aber seine Augen funkelten nicht wie sonst.
„Nein, ich betrinke mich und falle von der Plattform“, antwortete sie ironisch.
Ein leichtes Glitzern flackerte in der Tiefe seiner grünen Augen auf, erlosch dann aber wieder. Für gewöhnlich hätte er mit einem schlagfertigen Kommentar geantwortet, aber dieses Mal schwieg er.
Mit einem lauten Plopp löste sich der Korken. Das feierliche Geräusch klang seltsam fehl am Platz. Hier gab es nichts zu feiern. Hier ging etwas zu Ende.
Sie füllte die Gläser und reichte ihm eins. Er hob es und prostete ihr zu, während er sie ansah. „Auf dass alle Ihre Träume in Erfüllung gehen, Beth.“
„Was wissen Sie schon von meinen Träumen?“, fragte sie resigniert, aber ruhig und trank einen Schluck. Still betrachtete sie den Garten und das Haus – vormals die einzigen Träume, die sie sich erlaubt hatte. Als Beth lachte, klang es bitter.
„Glauben Sie, ich hätte in der ganzen Zeit, die wir zusammen verbracht haben, nicht auch etwas von Ihren Träumen mitbekommen? Sie träumen davon, eine Beziehung zu haben wie Ihre Mom und Ihr Dad. Familie, Schaukel im Garten …“
„Das stimmt nicht!“, fuhr sie ihn an.
„Doch, es stimmt“, erwiderte er mit ruhiger Stimme.
„Vielleicht habe ich mir das früher gewünscht“, sagte sie mit stolz erhobenem Kinn. „Aber jetzt nicht mehr.“
„Doch. Sie wünschen es sich immer noch. Der Kerl hat Sie zwar verletzt, aber solche Wünsche sind zäh. Und das ist gut so.“
„Was wissen Sie von Rock?“, flüsterte sie erschrocken. Woher wusste er davon? Hatte jemand aus ihrer Familie geplaudert? O Gott.
„Rock“, schnaubte er verächtlich. „Schon der Name sagt alles.“
„Hat Ihnen jemand davon erzählt?“, bohrte sie.
„Beth, das alles hier hat mir davon erzählt.“ Mit dem Glas machte er eine Bewegung in Richtung Garten und Haus. „Ihr kleines Haus. Das Auto, das Sie hegen und pflegen wie ein Baby. Ihre zugeknöpfte Art und die völlige Hingabe an den Job und die Schüler. All das schreit einem doch förmlich ins Gesicht, dass Ihnen jemand das Herz gebrochen hat!“
„Wie können Sie es wagen, so herablassend mit mir zu reden!“
„Ich meine es nicht herablassend, Beth.“ Er meinte es aufrichtig. „Sie wünschen sich gewisse Dinge, und es ist nicht verkehrt, sie sich zu wünschen. Aber es ist sinnlos, sie bei einem Mann zu suchen, der sie Ihnen nicht geben kann.“
Wie gut Ben sie kannte, machte Beth sprachlos. Vielleicht kannte er sie sogar besser als sie sich selbst. Sie war sicher gewesen, dass sie diese Wünsche nach der Sache mit Rock alias Ralph ein für alle Mal begraben hatte. Aber Ben hatte recht. Es war reiner Selbstbetrug gewesen, dass sie nur mit ihm spielen wollte, so lange, bis er ihr ganz verfallen war und sie ihn in der Hand hatte.
Während sie sich eingeredet hatte, alles unter Kontrolle zu haben, waren ihre alten Träume klammheimlich zu ihr zurückgekehrt, angelockt von seinem Lachen, seinen grünen Augen und den tiefen
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