Julia Extra Band 0318
kürzester Zeit hatte sie Kyle ins Wasser gelockt. Schon bald hatte er jede Scheu vor dem nassen Element verloren und planschte vergnügt im flachen Ende des Pools herum. Beth zwang Kyle nicht zum Schwimmen. In dieser ersten Schwimmstunde ging es nur darum, Spaß im Wasser zu haben. Zu dritt spritzten sie wild herum und warfen einen Ball hin und her. Die Zeit verging wie im Flug.
Als sie schließlich aus dem Pool stiegen, kam für Ben doch noch der Moment, den er gefürchtet hatte. Beths Mutter brachte jedem von ihnen einen dicken Bademantel und begrüßte sie.
Dabei bemerkte Ben ihr erstauntes Gesicht, als sie den knappen Bikini ihrer Tochter sah.
Also hatte Miss Maple tatsächlich eine durchtriebene Seite. Er hätte wetten können, dass sie den Bikini mit der Absicht gekauft hatte, ihn nervös zu machen.
Wenig später gesellte sich auch Beths Vater zu ihnen.
Ben musste zugeben, dass Beths Eltern sehr sympathisch waren. Mr. und Mrs. Maple schienen ihre jüngste Tochter sehr zu lieben, und auch miteinander gingen sie zärtlich und liebevoll um. Die Familie war ihnen sehr wichtig. Nur aus diesem Grund hatten sie den Pool bauen lassen: als Ort, an dem die Familie zusammen sein konnte.
Wie lange mied er nun schon solche familiären Treffen! Seit dem Tod seiner Eltern konnte er sie nicht mehr ertragen.
Aber im Kreise dieser Familie fühlte er sich erstaunlich wohl. Er betrachtete Beths Mutter, eine schlanke, elegante Frau mit glänzendem grauem Haar. Beth wird eines Tages auch so aussehen. Und er hoffte, ihre Augen würden dann genauso leuchten – wie die Augen einer glücklichen Frau, die geliebt wurde.
Aber wahrscheinlich würde er Beth nie mit grauen Haaren sehen. Der Gedanke erschreckte ihn.
Dankenswerterweise sah Beths Vater davon ab, Ben der üblichen Befragung zu unterziehen. Er erzählte ungezwungen von seiner Militärzeit, ohne Ben mit Fragen nach seinen eigenen Erfahrungen zu bedrängen. Auch Kyle bezog er mit ins Gespräch ein. Daher fasste der Junge schnell Vertrauen und erzählte freimütig, dass er gerade erst schwimmen lernte.
„Das ist gut“, sagte Mr. Maple. „Man kann nie wissen, wann man beim Angeln aus dem Boot fällt.“
„Ich war noch nie angeln“, gestand Kyle.
„Noch nie? Das müssen wir ändern. Ich fahre nächstes Wochenende mit meinem Enkel angeln. Er ist so alt wie du. Warum kommst du nicht einfach mit?“
„Darf ich, Onkel Ben?“
Ben wich Kyles hoffnungsvollem Blick aus. Er fühlte, wie er und sein Neffe in Beths heile Familienwelt hineingezogen wurden. Konnte das gut gehen? Gab er sich und Kyle nicht einer falschen Hoffnung preis, die früher oder später enttäuscht werden würde?
Aber was sollte er machen? Der Hoffnung in Kyles Augen hatte er nichts entgegenzusetzen. Darum erlaubte er ihm, mit zum Angeln zu fahren.
In den folgenden Wochen hielten Ben und Beth das Kussverbot streng ein. Dennoch wuchs Bens Zuneigung zu Beth von Tag zu Tag.
Mit ihr konnte er reden wie mit niemandem zuvor. Nicht über das Wetter oder Football, sondern über wichtige Dinge wie Bildung und Politik. Natürlich war Beth nicht immer seiner Meinung – genau genommen war sie es fast nie. Aber er liebte es, mit ihr zu diskutieren und sich Wortgefechte zu liefern. Sie forderte ihn geistig heraus, was für ihn eine neue und höchst befriedigende Erfahrung war.
Er hätte es sich nie eingestanden, aber sein Leben drehte sich mehr und mehr um sie. Ständig war er bei ihr, entweder um am Baumhaus zu arbeiten oder um nach der Schule mit Kyle und ihr Rad zu fahren. Zweimal pro Woche übten sie mit Kyle im Pool von Beths Eltern schwimmen. Kyle ging mit Beths Vater angeln und freundete sich mit ihrem Neffen Peter an.
Sogar Bens Schwester bemerkte die Veränderung. Bei einem seiner regelmäßigen Besuche sagte sie: „Kyle sieht in letzter Zeit so glücklich aus.“
Seit sie im Krankenhaus lag, war Carly viel umgänglicher geworden. Ohne Alkohol und Drogen schien sie von Tag zu Tag ein besserer Mensch zu werden.
Aber während sich ihr Charakter besserte, verschlechterte sich ihr körperlicher Zustand.
„Wer ist Miss Maple?“, fragte sie ihn plötzlich unvermittelt.
„Seine Lehrerin.“
„Nein, ich meine, wer ist sie für dich ?“
„Eine Freundin“, erklärte er abwehrend.
In Carlys Gesicht lag Wissen.
„Ich würde sie gern kennenlernen.“
Aber das wollte Ben auf gar keinen Fall. Beth würde sofort spüren, wie nahe ihm der Zustand seiner Schwester ging. Wie er Beth kannte, würde
Weitere Kostenlose Bücher