Julia Extra Band 0318
nicht verführen lassen. Offenbar glaubte er tatsächlich, dass Eve Craig an einer Amnesie litt.
Talos verzog verächtlich den Mund. Vor elf Wochen, nachdem sie ihn so schamlos hintergangen hatte, verließ Eve Craig Athen wie ein lautloser Geist. Seine Männer hatten auf der ganzen Welt nach ihr gesucht – bis sie vor zwei Tagen erfolgreich waren. Eve tauchte plötzlich in London zur Beerdigung ihres Stiefvaters auf.
Um schnellstmöglich mit dem Privatjet nach England reisen zu können, ließ Talos sogar in diesem Augenblick einen Millionendeal in Sydney platzen. Kefalas und Leonidas hatten Eve bis zu dem gestrigen Nachmittag observiert, als sie die Privatklinik in der Harley Street verließ und anschließend in ihrem silbernen Aston Martin direkt in einen Briefkasten auf dem Bürgersteig raste.
„Es war seltsam, Boss“, hatte Kefalas später erklärt. „Bei der Beerdigung schien es ihr noch gut zu gehen. Aber nachdem sie beim Arzt war, fuhr sie plötzlich wie eine Betrunkene. Sie hat uns nicht einmal wiedererkannt, als wir ihr nach dem Unfall zurück in die Klinik halfen.“
Dr. Bartlett kratzte sich ratlos am ergrauten Hinterkopf. „Ich werde sie zur Beobachtung über Nacht hierbehalten. Auch wenn ich keinerlei äußere Verletzungen feststellen konnte“, fügte er noch einmal nachdenklich hinzu.
Frustriert wiederholte Talos seinen Vorwurf. „Weil sie keine Amnesie hat! Sie hält uns zum Narren!“
Der ältere Arzt richtete sich kerzengerade auf. „Ich glaube nicht, dass Miss Craig lügt, Mr. Xenakis. Immerhin kenne ich sie seit ihrem vierzehnten Lebensjahr, nachdem sie mit ihrer Mutter aus Amerika hierhergekommen ist.“ Er schüttelte leicht den Kopf. „Alle Tests waren negativ. Die Amnesie stellt das einzige deutliche Symptom dar. Dieser Umstand deutet darauf hin, dass der Autounfall lediglich als Auslöser fungierte, das eigentliche Trauma allerdings emotionaler Natur ist.“
„Sie ist also selbst daran schuld?“
„So würde ich das nicht formulieren. Aber das ist ohnehin nicht mein Fachbereich, deshalb habe ich meinen Kollegen Dr. Green konsultiert.“
„Einen Psychiater?“
„Ja.“
Talos räusperte sich. „Wenn körperlich alles mit ihr stimmt, kann sie das Krankenhaus doch verlassen, oder?“
Der Arzt zögerte. „Stark genug ist sie schon. Allerdings fehlt ihr jegliche persönliche Erinnerung, daher wäre es ratsam, wenn ein Familienmitglied …“
„Sie hat keine Familie“, unterbrach Talos. „Ihr Stiefvater war der einzige noch lebende Verwandte, und er starb vor drei Tagen.“
„Ich habe von Mr. Craig gehört, und es tut mir sehr leid. Aber ich hoffte, Eve hätte zumindest einen Onkel oder eine Tante, die sich ihrer annehmen könnten. Vielleicht eine Cousine in Boston?“
„Gibt es nicht“, antwortete Talos schlicht, obwohl er es gar nicht genau wusste. Aber nichts würde ihn heute daran hindern, Eve mit zu sich nach Hause zu nehmen. „Ich bin ihr …“ Ja, was eigentlich? Ex-Lover mit Rachegelüsten? „Lebensgefährte“, schloss er. „Und ich werde mich um sie kümmern.“
„Das haben Ihre Mitarbeiter mir gestern auch schon gesagt.“ Dr. Bartlett betrachtete Talos, als würde ihm nicht recht gefallen, was er sah. „Allerdings klingt es nicht gerade so, als würden Sie akzeptieren, dass Eve besonderer Pflege und Fürsorge bedarf.“
„Solange Sie behaupten, sie hätte eine Amnesie, bleibt mir doch gar nichts anderes übrig, als das zu glauben.“
„Sie haben Eve als Lügnerin bezeichnet.“
Kurzerhand schenkte Talos dem Arzt ein entwaffnendes Lächeln. „Kreative Unwahrheiten sind eben Teil ihrer charmanten Persönlichkeit.“
„Sie stehen sich also sehr nahe?“, vermutete Dr. Bartlett und kniff die Augen leicht zusammen. „Haben Sie vor, Eve zu heiraten?“
Natürlich wusste Talos, welche Antwort er darauf geben musste, um Eve problemlos mitnehmen zu können. Also sagte er die Wahrheit. „Sie bedeutet mir alles. Einfach alles!“
Nachdenklich strich der Arzt sich über den Bart, und nach einer Weile nickte er kurz. Offenbar hatte er einen Entschluss gefasst. „Nun gut. Ich entlasse sie in Ihre Obhut, Mr. Xenakis. Passen Sie gut auf Eve auf!“
In sein Zuhause nach Mithridos wollte Talos Eve auf gar keinen Fall bringen, höchstens nach Athen. Dort konnte er sie dann einsperren und dafür sorgen, dass sie ihren üblen Verrat bereute. „Dann werden Sie Eve heute entlassen?“
Der Arzt nickte. „Ja. Und bitte geben Sie ihr das unbedingte
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