Julia Extra Band 0326
sie nur geheiratet, damit sie ihm einen Erben schenkte. Eine Tatsache, die Penny schwer zu schaffen machte. Trotzdem konnte sie ihn nicht loslassen.
Oberhalb des kleinen Hafens fand Penny einen kleinen Felsen, auf den sie sich setzte. Das Kinn in die Hände gestützt, beobachtete sie aus zusammengekniffenen Augen das kleine Ruderboot, das auf den Wellen schaukelte. Inzwischen war es fast dunkel, und während sie starr in die Ferne blickte, ließ sie widerstrebend die Szene, die sie gerade erlebt hatte, Revue passieren.
„Penelope …“
Sie war gerade dabei, die Villa zu verlassen, als sie beim Klang der Stimme hinter sich erstarrte.
„Wo willst du hin?“
Nur eine Frau, die sie kannte, hatte einen derart eisigen Tonfall. Und nur eine Frau nannte sie auf diese vorwurfsvolle Art und Weise Penelope. Alle anderen, ihre Familie und ihre Freunde, benutzten die Kurzform Penny.
Nicht so ihre Schwiegermutter – oder vielmehr ihre Stiefschwiegermutter.
„Ich wollte spazieren gehen.“
„Zu dieser Tageszeit?“
„Abends finde ich es angenehmer, weil es kühler ist.“
Noch immer hatte sie sich nicht umgedreht. Aber auch so sah sie die elegante Erscheinung von Hermione Michaelis vor sich. Diese achtete penibel auf ihre schlanke Linie und wollte mit ihren schwarz gefärbten Haaren offensichtlich jünger wirken, als sie es mit neunundfünfzig war.
„Ich habe mich immer noch nicht richtig an die Hitze hier gewöhnt“, fügte Penny hinzu.
„Immer noch nicht? Nach so langer Zeit?“, hakte ihre Schwiegermutter verständnislos nach.
Penny biss sich auf die Lippe, um sich eine passende Antwort zu verkneifen. Seit Zareks Verschwinden vor zwei Jahren lebte sie mit ihrer Schwiegermutter zusammen. Notgedrungen, denn Hermione machte ihr das Leben absichtlich schwer. Als zweite Frau von Darius Michaelis hatte sie von Anfang an die alleinige Kontrolle über die Odysseus Reederei haben wollen. Die unerwünschte Schwiegertochter stand ihr dafür im Weg. Und das schon viel zu lange, ärgerte sich Hermione. Denn Pennys Glück schien zwar zerstört, aber nicht ihre Hoffnung auf Zareks Rückkehr.
„Ich möchte mich nicht unnötig lange in der Sonne aufhalten. Die Haut altert dann schneller.“
Offenbar hatte ihre kleine Spitze gesessen, denn Hermione atmete scharf ein. Da ihre Schwiegermutter ihr Leben lang eine Sonnenanbeterin gewesen war, zahlte sie nun den Preis dafür. Selbst ihre teuren Pflegecremes und das Lifting, dem sie sich vor Kurzem unterzogen hatte, konnten daran nichts ändern.
„Nimmst du den Köter mit?“, erkundigte sie sich nun.
Ihre verächtliche Bezeichnung galt Argus, dem großen schwarz-weißen Hund, der sehr an seinem Herrchen gehangen hatte. Penny liebte den Hund. Denn außer ihr schien er der Einzige zu sein, der Zareks Verlust betrauerte. In den ersten Wochen nach dessen Verschwinden hatte der treue Hirtenhund sogar jegliche Nahrungsaufnahme verweigert, sodass sie schon fürchtete, ihn auch noch zu verlieren. Schließlich jedoch hatte sein Lebenswille gesiegt. Und nun folgte er ihr auf Schritt und Tritt und lag sogar unter dem Schreibtisch, wenn sie arbeitete.
„Ich glaube nicht“, erwiderte sie. „Wir haben heute schon einen langen Spaziergang gemacht, und vorhin hat er geschlafen.“
Dass Argus dabei in ihrem Bett gelegen hatte, verschwieg sie. Denn Hermione suchte nur nach einem Vorwand, um den Hund loszuwerden. Dieses Risiko wollte Penny nicht eingehen. Zu sehr war ihr Argus in der Zwischenzeit ans Herz gewachsen. Argus hatte ihr Gesellschaft geleistet, als sie dringend Trost brauchte. Nachts schlief er neben ihrem Bett, was sie ungemein beruhigte, und sie hatte bittere Tränen in sein langes, zotteliges Fell geweint, als sie an jenem Abend Gewissheit über Zareks Schicksal erhielt. Außerdem war der Hund ihre einzige noch existierende Verbindung zu ihrem verschollenen Ehemann.
„Diese verdammte Töle hat Flöhe!“
Penny sah förmlich, wie Hermione verächtlich die Lippen verzog, doch sie wollte sich nicht umdrehen.
„Eins kann ich dir versichern – mein Hund hat keine Flöhe“, entgegnete sie scharf und trat nach draußen. Endlich konnte sie die frische Meeresluft einatmen. Im Haus fühlte sie sich zunehmend wie eine Gefangene.
„Bleib nicht so lange weg“, wies Hermione sie an. „Es wird gleich dunkel.“
Machte sie sich etwa Sorgen um sie? Das war ja etwas ganz Neues. Als Penny sich nun doch umdrehte, begegnete sie dem funkelnden Blick ihrer Schwiegermutter. Falls sie
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