Julia Extra Band 0328
noch: so lange kämpfen, bis sie wieder die Zügel in der Hand hatten?
Leo runzelte die Stirn. Vielleicht wurden die Kassianides von einigen alteingesessenen Familien in Athen unterstützt. Und trotzdem könnte Angel an diesem Abend auch zufällig da gewesen sein.
Eine kleine Stimme in seinem Kopf höhnte: War es ein wirklich Zufall, dass du gerade sie unter all den Menschen bemerkt hast? Leo ballte die Hände zu Fäusten. Damit würde er sie nicht davonkommen lassen.
Er nahm das Telefon und erledigte einen kurzen Anruf. Nachdem er aufgelegt hatte, wandte er sich wieder dem Fenster zu. Leo hatte kurzerhand eine alles verändernde Entscheidung getroffen: Er würde nach Athen zurückkehren und das Reedereigeschäft der Parnassus übernehmen. Prickelnde Erwartung erfasste ihn.
Der Gedanke, dass er Angel Kassianides wiedersehen und sie zwingen würde, sich ihm zu erklären, ließ sein Blut schneller pulsieren. Er biss die Zähne zusammen, um seine Ungeduld zu bezwingen, auf der Stelle abzureisen. Er hatte in New York noch eine geschäftliche Krise zu bewältigen. Und er redete sich ein, dass es nicht Angel Kassianides war, die ihm zu seiner Entscheidung verholfen hatte.
2. KAPITEL
Einen Monat später
Angels Herz hämmerte schmerzhaft in der Brust. Schon wieder war sie an diesem schlimmsten Ort: in der Villa der Familie Parnassus. Ihr wurde übel, als sie sich daran erinnerte, was draußen auf der Terrasse geschehen war. Entschieden schloss sie die Augen und atmete tief durch. Sie durfte jetzt nicht daran denken. An Leo Parnassus. Oder welches Gefühl er in ihr geweckt hatte, ehe sie herausfand, wer er war. Und wie schwer es war, ihn zu vergessen.
Schließlich öffnete sie die Augen wieder und versuchte, in dem dämmrigen Licht etwas zu erkennen. Die Räume schienen leer zu sein, und sie sandte einen stummen Dank zum Himmel. Zumindest dies eine Mal hatten die Zeitungsberichte wohl der Wahrheit entsprochen. Sie hatte gelesen, dass es um Georgios Parnassus’ Gesundheit nicht zum Besten stand und dass er sich auf einer kürzlich erworbenen griechischen Insel erholte. Die Dokumente, die sie in der Innentasche ihrer Jacke fühlte, beruhigten sie. Deshalb war sie hierher gekommen. Und es war richtig gewesen.
Seit die Presse vor ein paar Tagen angekündigt hatte, dass Leo Parnassus die Leitung des Reedereigeschäfts übernehmen, New York verlassen hatte und für immer nach Athen übersiedeln würde, war Angel zunehmend unruhiger geworden, ihr Vater hingegen immer verbitterter. Ein junger, dynamischer Kopf an der Spitze der Parnassus-Corporation war eine weitaus größere Bedrohung als der kränkelnde Vater.
Als Angel am Tag zuvor von ihrer neuen Arbeit nach Hause gekommen war, fand sie Tito über einem dicken Dokument, betrunken vor sich hin lallend. Er hatte gemerkt, dass sie sich durch die Eingangshalle davonschleichen wollte, und hatte sie zu sich ins Wohnzimmer gerufen. Widerstrebend war sie zu ihm gegangen, um ihn nicht zu verärgern.
Er deutete auf das Dokument. „Weißt du, was das ist?“
Angel schüttelte den Kopf.
„Das, meine liebe Tochter, ist mein direkter Weg aus dem Bankrott.“ Er wedelte mit den Blättern in der Luft herum. „Was ich hier in der Hand halte, ist das größte und dunkelste Geheimnis der Familie Parnassus“, schwadronierte er weiter. „Und ihr Schicksal. Georgios Parnassus’ Letzter Wille. Jetzt weiß ich alles. Über ihre Vermögenswerte und wie er sie aufteilen will. Ich weiß auch, dass seine erste Frau Selbstmord begangen hat. Sie müssen es vertuscht haben. Kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn das zu den richtigen Leuten durchsickert? Damit kann ich sie fertigmachen.“
Damit kann ich sie fertigmachen . Angel ertrug den Gedanken kaum, dass ihr Vater nach all den Jahren und dem, was die Parnassus-Familie durchgemacht hatte, die Fehde immer noch weiter anfachen wollte. In seiner Verbitterung erkannte er nicht, dass er damit sich und seine Familie in ein noch schlechteres Licht stellen würde. Ganz zu schweigen von dem unendlichen Schmerz, den er den Parnassus zufügen würde, wenn er deren Familiengeheimnisse enthüllte – falls es zutraf, dass Georgios’ erste Frau sich selbst getötet hatte.
„Woher hast du das?“
Verächtlich winkte ihr Vater ab. „Das spielt doch überhaupt keine Rolle.“
Voller Abscheu erwiderte sie: „Du hast einen deiner Schläger zur Villa geschickt, um das Dokument zu stehlen!“
Auf dem Gesicht ihres Vaters bildeten sich rote
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