Julia Extra Band 0328
Despot. Es war keine Dreistigkeit gewesen, die sie hierher geführt hatte, sondern nackte Angst und der Wunsch, etwas richtigzustellen.
„Ich bin nicht gekommen, um etwas zu stehlen, das schwöre ich.“
Leo deutete auf das Testament, das auf dem Schreibtisch lag, ohne ihren Worten Beachtung zu schenken. „Was wollten Sie denn dadurch in Erfahrung bringen?“ Bitter lachte er auf. „Was für eine dumme Frage. Zweifellos hat Ihr Vater gehofft, sich Insiderinformationen über den Besitz meines Vaters verschaffen zu können, um ihm irgendwie Schaden zufügen zu können. Oder wollten Sie die Informationen vielleicht dazu nutzen, um mich in eine Sexfalle zu locken? Wollten Sie unseren Kuss von damals zu Ihrem Vorteil nutzen?“
Heiße Röte schoss in Angels Wangen, als sie an diesen Kuss dachte.
Erneut wurde ihr klar, dass es sinnlos war, die Wahrheit zu sagen. Leo Parnassus würde eher an den Weihnachtsmann denn an ihre Unschuld glauben, vor allem, weil alles gegen sie sprach. Sie wusste nur eins: Sie musste hier raus, da ihr unter seinem eindringlichen Blick zunehmend heiß wurde.
Vorsichtig kam sie um den Stuhl herum und beruhigte sich damit, dass er ein weltgewandter Mann war, den man sicher mit vernünftigen Argumenten überzeugen konnte.
„Sie haben das Testament ja wieder. Es tut mir leid, dass ich mir unbefugt Zutritt verschafft habe. Ich verspreche Ihnen, dass Sie nie wieder etwas von mir hören oder sehen, wenn Sie mich gehen lassen.“ Angel achtete nicht darauf, dass ihr Herz sich bei diesen Worten zusammenzog. Wie ihr Vater auf all das reagieren würde, wenn er davon erfuhr, darüber wagte sie nicht einmal nachzudenken. Und sie konnte nicht versprechen, dass er nicht wieder Dummheiten machte.
Leo setzte sein Glas auf dem Tisch ab. Die Luft zwischen ihnen war plötzlich geladen, und Angel merkte, dass etwas Goldenes in den Tiefen seiner Augen aufflammte. Es erinnerte sie daran, wie er sie vor dem Kuss auf der Terrasse angesehen hatte. Träge glitt sein Blick über ihren Körper in der abgetragenen Jeans, den Turnschuhen, dem schwarzen Top und der Jacke. Und plötzlich hatte sie das Gefühl, als würden lauter kleine Flammen auf ihrer Haut brennen.
Ihr Herz begann zu hämmern. In blinder Panik bewegte sie sich vorwärts. Er würde sie doch sicher nicht aufhalten. Schließlich war sie ja nicht eingebrochen.
Doch als sie gerade an ihm vorbeigehen wollte, spürte sie einen festen Griff um ihren Arm und wurde so schnell herumgedreht, dass sie das Gleichgewicht verlor und gegen ihn fiel. Alle Luft schien aus ihrem Körper zu weichen.
Mit einer schnellen Bewegung löste er ihre Haare, die in ungebändigter Fülle über ihre Schultern fielen. Er hob ihr Gesicht, während er sie mit dem anderen Arm fest an sich presste. Angel wagte nicht, sich zu bewegen oder zu atmen.
„Eigentlich haben Sie mir sogar einen Gefallen getan, Kassianides, wissen Sie das?“
Angel zuckte bei der Erwähnung ihres Nachnamens zusammen. Sie hasste sich dafür, dass es ihr etwas ausmachte.
„Sie haben mir eine Fahrt zu Ihnen erspart. Ich wollte Sie nämlich zur Rede stellen, warum Sie an diesem Abend hier waren. Haben Sie tatsächlich geglaubt, dass Sie damit davonkommen?“
Eine rhetorische Frage. Angel schwieg, da ihre immer stärker werdenden Gefühle sie ängstigten.
„Ich wollte auch wissen, ob ich zu hart in meiner ersten Einschätzung war. Nur weil Sie Titos Tochter sind, ist das wohl noch kein Grund, vom Schlimmsten auszugehen.“
Angel wollte ihren Ohren nicht trauen. Ein Hoffnungsschimmer keimte in ihr auf, und sie nickte langsam. Dann öffnete sie den Mund, doch er gab ihr nicht die Möglichkeit, etwas zu sagen. Seine Stimme wurde noch eine Spur härter.
„Aber das, was Sie heute Abend getan haben, ist zutiefst verachtenswert. Kaum haben Sie eine Möglichkeit gesehen, sind Sie zurückgekommen, um diesmal etwas von wahrem Wert zu stehlen, mit dem Sie meiner Familie Schaden zufügen können. Da dieses Testament auch Informationen über mein eigenes Vermögen enthält, haben Sie nicht nur meinem Vater gegenüber ein Verbrechen begangen, sondern auch mir gegenüber.“
Kaltes Entsetzen erfasste sie. Das war noch schlimmer, als sie gedacht hatte.
„Es ist fast rührend, wie naiv Sie sind. Glauben Sie wirklich, es wäre so einfach gewesen, in die Villa zu kommen, wäre ich nicht da gewesen?“
Das zarte Pflänzchen der Hoffnung erstarb in Angel. Sie versuchte, sich von ihm zu befreien, und bereute es sofort,
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