Julia Extra Band 0328
…“
Leo erstarrte. „Sie?“
„Angel Kassianides. Titos älteste Tochter. Sie hat hier als Bedienung gearbeitet … als sie Pia Kyriapoulos Wein über das Kleid schüttete, hast du sie nach draußen geführt. Sicher hast du sie weggeschickt.“
Leo reagierte sofort, als er den Namen Kassianides hörte. Es war der Name seines Feindes, ein Name, der für Verlust, Schmerz, Erniedrigung und unbeschreibliches Herzeleid stand. Er runzelte die Stirn und versuchte zu verstehen. „Angel Kassianides … Sie ist eine Kassianides?“
Ari nickte und hob dann die Brauen, als er Leos erstaunte Miene bemerkte. „Wusstest du das nicht?“
Leo schüttelte den Kopf, während er versuchte, die Information zu verdauen. Woher sollte er wissen, wie Tito Kassianides’ Kinder aussahen? Während der Übernahme hatten sie nicht direkt mit der Familie Kassianides zu tun gehabt. Es war eine saubere, sterile Angelegenheit gewesen, doch nun, da er ein Mitglied dieser Familie kennengelernt hatte, beschlich ihn ein seltsames Gefühl der Unzulänglichkeit. Jetzt, nachdem er sie geküsst hatte …
Plötzlich fühlte er sich verwundbar. Wer sagte ihm, dass andere sie nicht auch erkannt hatten, so wie Ari? Als er sie hinausführte, hatte er nur eins im Sinn gehabt: mit ihr allein zu sein, um zu sehen, wie sie auf ihn reagierte. Zorn überlagerte das unwillkommene Gefühl der Verletzlichkeit. Ob sie geplant hatte, dass sie sich zufällig über den Weg liefen? Welches Spiel hatte sie, verdammt noch mal, mit ihm getrieben? Hatte sie ihn mit ihren großen blauen Augen verführen wollen und dann versucht vorzugeben, dass sie ihn nicht begehrte? Vom ersten Augenblick an hatte sie mit ihm gespielt. Ihre geweiteten Augen waren kein Zeichen gewesen, dass auch sie sich von ihm angezogen fühlte, wie er geglaubt hatte. Vielmehr war es Erstaunen gewesen, weil sie ihn erkannt hatte. Der Gedanke ließ bittere Galle in ihm aufsteigen. Er hatte sich noch nie so schutzlos gefühlt.
Ob Tito Kassianides sie geschickt hatte, als eine Art Schachfigur? War das Ganze nur Show gewesen? Sein Körper versteifte sich vor Abscheu. In diesem Augenblick sah er, wie sein Vater mit ein paar anderen Männern zu ihm kam. Also müsste er für den Rest des Abends lächeln und sich unterhalten, statt hinauszulaufen, Angel Kassianides zu suchen und ihr einige sehr wichtige Fragen zu stellen.
Eine Woche später in New York
Leo stand in seinem Büro an dem großen Fenster, das einen überwältigenden Ausblick über Manhattan bot. Doch er nahm ihn nicht wahr. Denn seit er Athen verlassen hatte, sah er immer nur Angel Kassianides’ Engelsgesicht vor sich. Wie sie es ihm entgegenstreckte und die Augen schloss, ehe er sie küsste. Bitter lachte er auf. Angel , der Engel. Wie passend!
Er riss sich von den Gedanken an Angel los und dachte an Athen. Obwohl er es noch niemandem gestanden hatte, vor allem nicht seinem Vater, hatte die Zeit in Athen etwas grundlegend in ihm verändert. New York lag vor ihm ausgebreitet, doch die Stadt war nur noch eine wirre Ansammlung von Wolkenkratzern für ihn.
Er hatte an diesem Morgen seine Geliebte angerufen, der er die ganze Woche aus dem Weg gegangen war, was ganz und gar nicht seiner Art entsprach. Und er hatte mit ihr Schluss gemacht. Ihr theatralischer Wutausbruch klang ihm immer noch in den Ohren. Doch er hatte nicht einmal den Anflug eines schlechten Gewissens verspürt, sondern nur Erleichterung.
Angel. Es verwirrte ihn, wie leicht sie sich in seinem Bewusstsein eingenistet hatte. Es hatte sie in Griechenland nicht mehr suchen und fragen können, welches Spiel sie in der Villa seines Vaters getrieben hatte. Eine geschäftliche Krise hatte seine Anwesenheit in New York erfordert, eine Krise, die noch ein paar Wochen andauern würde. Und er war es nicht gewöhnt, dass eine Frau ihn ablenkte, besonders dann nicht, wenn er nicht einmal mit ihr geschlafen hatte.
Zorn brodelte in ihm. Das Gefühl, zum Narren gehalten worden zu sein, war neu für ihn, und er wollte sich nicht länger davon beherrschen lassen. Angel Kassianides spielte mit dem Feuer, wenn sie glaubte, einen Parnassus zum Narren halten zu können. Wie konnte sie es wagen? Nach allem, was ihre Familie der seinen angetan hatte? Und gerade an dem Abend, als er der Gesellschaft von Athen vorgestellt worden war?
Offenbar gaben die Kassianides sich nicht damit zufrieden, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Wollten sie die alte Feindschaft wieder aufleben lassen? Oder schlimmer
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