Julia Extra Band 0328
und Nachbarn. Ich mag meinen Wohnort. Ich bin rundum glücklich.“ Sie konnte die Leidenschaft, die in ihr loderte, nicht verbergen und hoffte, dass er es als reine Begeisterung empfand. Wie gern hätte sie das selbst geglaubt. „Was hast du erwartet? Dass mein Leben ohne dich ein einziger Wirbelsturm ist?“
Er gab vor, nicht viel von ihr zu wissen. Dann konnte er unmöglich Jeremys Existenz in Erfahrung gebracht haben. Tariq umgekehrt glaubte zu meinen, dass sie ihn nicht genügend kannte. Doch so viel war gewiss: Wenn er von ihrem Sohn erführe, wäre das eine Katastrophe. Und wenn er ohnehin wieder aus ihrem Leben verschwinden würde, wäre es dumm, ihm vorher von Jeremy zu berichten.
„Bitte geh“, sagte sie so sanft wie möglich. „Es ist genug. Wir brauchen keine Wiedervereinigung. Bitte geh!“
„Heute Morgen werde ich gehen“, sagte er nach einem Moment und erschreckte sie damit. „Du scheinst skeptisch“, zog er sie sanft auf. „Ich bin am Boden zerstört, dass du so wenig Vertrauen in mich hast. Oder hast du vielleicht gar nicht damit gerechnet, dass ich gehe?“
„Hoffentlich hast du gefunden, wonach du gesucht hast“, gab sie zurück. Sie war unfähig, all die Gefühle zu ordnen, die sie erschütterten. Eine alles umfassende Erleichterung. Argwohn. Und ein stechender Schmerz in ihrer Brust, so etwas wie Abschied. „In jedem Fall war es unnötig, die alten Geschichten wieder aufzuwärmen.“
„Da widerspreche ich“, sagte Tariq versonnen. Seinem harten Mund waren die weichen Küsse nicht zuzutrauen. „Geh wenigstens mit mir essen heute Abend.“ Nach einer Weile des Nachdenkens fügte er hinzu: „Bitte.“
Jessa atmete tief aus. Was hatte sie zu verlieren? Sie würden sich in der Öffentlichkeit bewegen. Das könnte doch kaum gefährlich sein. Sie und Tariq in einem Saal voller Leute?
Eine Stimme in ihrem Hinterkopf warnte sie. Doch es war bereits zu spät. Ihr Mund öffnete sich.
„Na gut“, sagte sie. „Ich werde mit dir essen gehen, aber das ist auch alles. Nicht mehr als ein Essen.“
Sicher war sie sich dabei nicht. Denn sie konnte sich inzwischen wohl selbst genauso wenig trauen wie ihm.
Seine Miene strahlte Genugtuung aus, und sein Mund formte sich zu einem Lächeln.
Jessa wusste sofort, dass sie einen entsetzlichen Fehler begangen hatte.
„Sehr gut.“ Er deutete eine leichte Verbeugung an. „Um sechs Uhr wird eine Limousine vor deiner Tür warten.“
6. KAPITEL
Jessa war überwältigt. Sie saßen an einem romantisch gedeckten Terrassentisch auf der fünften Etage in einem der wundervollsten Häuser, die sie je gesehen hatte, nicht weit entfernt vom Arc de Triomphe in Paris.
„Es freut mich sehr, dass du es möglich machen konntest“, sagte Tariq. Er beobachtete ihre Reaktion genau. Jessa hatte sich zwar vorgenommen, ihre Gefühle zu verbergen. Doch nun konnte sie spüren, wie ihr Mund sich zusammenzog. Hatte er je Zweifel gehabt?
„Ich hatte doch gar keine Wahl, oder?“, fragte sie. Sie war auf ihn hereingefallen, und er hatte sie vollkommen in seiner Gewalt.
Tariq lächelte überlegen und winkte dem wartenden Bediensteten, den Wein einzuschenken.
Die Terrasse umschloss das Penthouse der obersten Etage des luxuriösen Gebäudes und war umgeben von Statuen aus Stein und gehämmertem Stahl. Das Nachtleben von Paris mit all seinen aufregenden Lichtern und Geräuschen lag ihnen zu Füßen. Jessa konnte weder den atemberaubenden Ausblick genießen noch das herrschaftliche Tischgedeck aus feinem Leinen und schwerem Silber. In ihrem Kopf wirbelte es, und sie musste fürchten, ohnmächtig zu werden. Tariq lächelte nachsichtig und spielte mit dem Stiel des ziselierten Weinglases in seiner Hand. Aus Verlegenheit etwa?
Sie hatte ihr bestes Kleid angezogen. Wenigstens damit wollte sie ihn beeindrucken. Und nun fühlte sich das königsblaue Futteralkleid, in dem sie sich sonst so wohl gefühlt hatte, an wie ein Sack, gemessen an der Pracht von Paris und der dieses Hauses, was sicherlich nur eines von Tariqs Besitztümern war.
Wie hatte sie sich jemals einbilden können, mit diesem Mann mithalten zu können? Oder ihn in ihren Bann zu ziehen? Und warum wollte sie das überhaupt? Was konnte sie schon gewinnen? Sicher, er begehrte sie. Doch wie viel war er bereit, in sie zu investieren? So wie ihre Schwester ihr vor Jahren gesagt hatte: Kannst du dir wirklich vorstellen, der Typ von Frau zu sein, den dieser Mann heiraten wird?
Eines war sicher: Was immer heute Nacht
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