Julia Extra Band 0328
sich gegeben.
Seinetwegen war sie hergekommen. Aus keinem anderen Grund. Nur wegen Tariq. Wegen dieser berauschenden Leidenschaft, die durch ihre Venen jagte und alles andere auslöschte, wegen dieses allumfassenden Begehrens, das auch die verflossenen Jahre und ihre eigenen Beschwörungen, ihm nie wieder zu erliegen, nicht hatte auslöschen können.
Mit einem unhörbaren Fluch – von dem sie nicht wusste, ob es nicht ein versteckter Hilferuf war – richtete sich Jessa auf und bewegte sich auf das schmiedeeiserne Geländer zu, das nicht nur Schutz bot, sondern einen glanzvollen Rahmen für die funkelnde Stadt zu ihren Füßen bildete.
Nun, da sie sich von der Glut des Grills, der neben ihrem Tisch stand, entfernt hatte, fühlte sich die Wahrheit kühl an wie die Herbstnacht – in guter Entfernung von der Glut, die Tariq ausströmte, und dem Flächenbrand, den er in ihr entfacht hatte.
Sie wollte und begehrte ihn. Es half nicht, dass sie sich im Stillen ermahnte, denn kein Argument zündete. Es hatte schon zu Hause begonnen, als sie Stunden, so schien es, im Badezimmer verbracht hatte. Sie wollte nicht an die Tür gehen, als der Fahrer geklingelt hatte. Doch die Tür war auf, und sie hatte das Cape um die Schultern gelegt, bevor die Klingel ein zweites Mal gedrückt werden konnte.
„Nichts sollte dich beunruhigen“, sagte eine Stimme dicht hinter ihr. Sie hatte Tariq nicht kommen hören und schloss die Augen. „Es handelt sich um ein normales Dinner in eleganter Umgebung. Was stört dich so sehr daran?“
„Du hast immer noch nicht begriffen, wie es in meinem Inneren aussieht“, wandte sie ein.
„Wäre einen Versuch wert“, murmelte er. „Doch du willst um alles in der Welt deine Geheimnisse bewahren, nicht wahr?“
Es überraschte sie nicht, als sich warme, starke Hände um ihre Schultern legten, ihre Haut mit schlanken Fingern berührten und ein Strom des Begehrens ihre Arme hinabrieselte. Sie stieß einen Seufzer aus und senkte den Kopf.
Doch dann stieg ein ungeheuerlicher Gedanke in ihr auf, und sie musste nach Luft schnappen.
Was, wenn sie gewänne, statt zu verlieren? Was, wenn sie Anspruch erhöbe, statt ausgenommen zu werden? Wenn sie die Initiative ergreifen würde und nicht länger so passiv und unterwürfig wäre?
Sie entwand sich seinem Griff und lehnte sich gegen das Geländer nach hinten, sodass sie ihm in die Augen sehen konnte. Wie wäre es, wenn sie die Situation, in der bisher alle Initiative von ihm ausgegangen war, in eine für sie aktive verwandeln würde?
Was ihr tatsächlich fehlte, war die eine letzte Nacht, die sie niemals zusammen verbracht hatten. Sie wollte sich verabschieden – aber nicht in einer Nacht, die sie ihm schenkte. Diese Nacht sollte ein Geschenk an sie werden, eine, die sie sich nahm. Ein Andenken, eine Erinnerung, nichts weiter.
„Du wirst deine eine Nacht bekommen“, sagte sie, bevor sie wieder der Mut verließ. Nun war es heraus, es gab keinen Weg zurück.
Tariq war kalt. Seine Miene hatte jeden Ausdruck verloren, obwohl seine Jadeaugen voll Feuer waren. Sie hatte ihn zu überraschen vermocht. Gut.
„Wie bitte?“, fragte er. Er betonte jede Silbe einzeln, als ob er etwas falsch verstanden hätte, und steigerte damit Jessas Kühnheit zur Verwegenheit. „Wie darf ich das verstehen?“
„Muss ich mich wirklich wiederholen?“, fragte sie. Jessa fand Gefallen daran, ihm diese Worte entgegenzuschleudern. Ein Machtgefühl durchströmte sie. Sie hatte die Initiative ergriffen. Sie war der Boss. Nach dieser gemeinsamen Nacht würde sie sich verabschieden und endlich mit ihm fertig sein. Und sie würde sich fühlen wie neu geboren. „Ich erinnere mich nicht, dass du so langsam …“
„Verzeih“, unterbrach er sie und seine Zähne blitzten auf, obwohl er nicht lächelte. „Was, in aller Welt, hat deinen Sinneswandel herbeigeführt?“
„Vielleicht weil ich die Dinge von verschiedenen Seiten beleuchtet habe“, erklärte Jessa. Wie sollte sie es ihm erklären, wo sie es doch selbst nicht verstand? „Wir haben möglicherweise beide ein Interesse an denselben Dingen. Wir wollen die Vergangenheit ein für alle Mal hinter uns lassen.“
„Den alten Zeiten zuliebe?“ Er kam näher. Sein mächtiger Körper verdeckte die Lichter der großen Stadt. Von jedem Zoll, jeder Faser ging eine unbestimmte Spannung von ihm aus und machte wieder einmal deutlich, wie sehr sie in Gefahr war, sich zu verlieren.
Doch in dieser Situation war keiner dem anderen
Weitere Kostenlose Bücher