Julia Extra Band 0328
leichten Ton, als wäre es eine Selbstverständlichkeit, dass er jeden Samstagmorgen auf ihrer Türschwelle stand. Unglaublich gut aussehend und unnahbar wie üblich.
Da stand keine Halluzination vor ihr. Nein, dieser Mann war aus Fleisch und Blut, verpackt in einen verführerisch schlanken und kräftigen Körper. Er trug schwarze Jeans und ein enges Jersey, das die Muskelpartien seines Oberkörpers umschmeichelnd zur Geltung brachte. Was immer der König von Nur tat, während er seinem luxuriösen Lebensstil frönte, er war in einer hervorragenden körperlichen Verfassung. Im Morgenlicht wirkte sein Blick aus jadefarbenen Augen fordernd und bedrohlich zugleich.
„Ich hatte noch nicht mit dir gerechnet“, sagte sie so zurückhaltend wie möglich. Eigentlich wollte sie ihn anherrschen, wieder zu gehen. Doch sie befürchtete, dass er ein solches Verhalten unter irgendeinem Vorwand als Argument gegen sie ins Feld führen würde. Und das wiederum hätte geheißen, dem Krieger die Waffen freiwillig auszuhändigen. „Du bist also tatsächlich wiedergekommen.“
„Wie hätte ich es auch schaffen sollen fernzubleiben?“, fragte er mit jenem anzüglichen Lächeln, das sie einerseits schätzte, andererseits aber nervte. Ganz gleich, was er behauptete, sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass er ausschließlich ihretwegen hergekommen war. Wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass ihr früherer Liebhaber, der sie so skrupellos aussortiert hatte, fünf Jahre später ganz nebenbei diese Kehrtwendung vollzog? Mehr als gering, hatte sie irgendwann am Morgen entschieden, nachdem sie keinen Schlaf mehr gefunden hatte. Nahe gegen null.
Er musste über Jeremy Bescheid wissen. Oder nicht?
„Du glaubst mir nicht“, murmelte er. Er kam ihr näher, so nah, dass es schien, als gäbe es nur noch ihn und der Rest der Welt hinter ihm wäre ausgeblendet. „Gib mir die Chance, bitte.“
Das Gute ist, dachte Jessa, als er nur mehr eine Armlänge von ihr entfernt war, dass es nur wenige Alternativen gibt. Sie hatte den Duft von Sandelholz und Gewürzen, den sie an ihm so mochte, in der Nase. Sie hatte nur eine einzige Wahl: Sie musste ihre Ängste und Befürchtungen verdrängen und ihn nach Hause schicken.
Dazu war sie fähig. Das redete sie sich ein. Ihr war schwindelig, die Knie waren wie Pudding. Doch zum Wohl ihres Sohnes musste sie tun, was zu tun war. Und selbstverständlich würde sie mit Tariq fertigwerden. Sie trat einen Schritt zurück und öffnete die Tür noch ein Stück.
„Warum kommst du nicht herein?“
Tariq ließ sich von Jessa ins Haus führen. Es war eines dieser typisch englischen Häuser, die kalt und eng und feucht waren. Dieses Land der niedrig hängenden Wolken und des unaufhörlichen Regens steigerte seine Sehnsucht nach dem unvorstellbar blauen Himmel von Nur, dem Horizont, der sich bis in die Unendlichkeit erstreckte, nach der Weite der Wüsten, die für Offenheit und unvergleichliches Licht standen. Nun hielt er sich in England auf, während er von seinem Palast in Azhar aus den Aufstand an einer der umkämpften Grenzen niederschlagen sollte. Diese Tatsache erinnerte ihn an seine leichtlebige, gedankenlose Playboy-Vergangenheit. Trotz allem war er hergekommen, um diese Frau zu suchen.
Eigentlich fehlte ihm die Zeit für solche Dinge. Ihm mangelte es an Geduld, den Gespenstern der Vergangenheit hinterherzureisen. Er hatte damit abgeschlossen. Er war nicht länger dieser ausschweifende, verschwenderische Typ, und ihm fehlte jegliche Motivation, sich wieder dieser Rolle hinzugeben. Und doch hatten ihn die Gedanken an diese Frau über die Jahre verfolgt. Er konnte sie nicht vergessen, nicht von ihr lassen. Keiner anderen Frau war er jemals so erlegen gewesen. An jedes Detail konnte er sich genau erinnern, an ihr Lächeln, die Krümmung ihres geschmeidigen Rückens, den Duft ihrer glatten, weichen Haut. Er hatte keine Wahl gehabt. Er musste sich auf die Suche nach ihr machen, um diesem Spuk, ihren unsichtbaren Einfluss auf ihn, endlich ein Ende zu machen. Schon vor fünf Jahren hätte er das tun sollen, um sich dann seiner Pflicht zu widmen: zu heiraten und Erben zu zeugen.
Jessa ging vor ihm ins Wohnzimmer. Neben dem Kamin blieb sie stehen. Langsam wandte sie ihm das Gesicht zu. Sie war angespannt. Man merkte es daran, wie sie sich bewegte, nervös schluckte und an ihrer Kleidung herumzupfte. Er fand Gefallen an dieser Eigenart. Sie machte seine eigene Unsicherheit irgendwie erträglicher. Jessa
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