Julia Extra Band 0328
versuchten, eine eigene Familie zu gründen. Ohne Erfolg.
„Du musst aus deinem Wolkenkuckucksheim wieder auf den Boden kommen“, sagte Sharon in der ihr eigenen Bestimmtheit. „Du durftest ein wunderbares Abenteuer erleben, Jessa, das ist mehr, als den meisten Menschen je vergönnt ist. Doch du darfst dich nicht ewig in der Vergangenheit suhlen.“
Tariq hatte sich für Jessa nicht wie Vergangenheit angefühlt. Oder wie Abenteuer. Selbst nach all den Geschehnissen – Jobverlust, Karriere zerstört, sämtliches Selbstbewusstsein dahin, stattdessen Schwangerschaft und der Liebhaber ein unverbesserlicher Lügner – hätte sie sich damit abfinden können. Doch die Sehnsucht nach Tariq war nie erloschen. Sein Herz schlug weiterhin in ihrem Körper mit – heftiger als das ihre – und wenn sie an das graue, eintönige Leben ohne ihn dachte, war es mehr, als sie ertragen konnte. Sie unterdrückte ein tiefes Schluchzen.
„Männer wie er existieren nur in unserer Fantasie“, hatte Sharon mitleidslos angemerkt. „Sie sind nicht für dich oder mich geschaffen. Hast du dir vielleicht eingebildet, einmal als Königin auf seinem Schloss zu leben? Du, die kleine Jessa Heath aus Fulford? Du hast dich ja immer für etwas Besseres gehalten. Nun hast du eine Menge Spaß gehabt, aber jetzt kehr bitte wieder in die Realität zurück, okay?“
Sie hatte im Grunde ja gar keine andere Wahl gehabt, als der Wirklichkeit ins Auge zu blicken. Das war ihr inzwischen vollkommen bewusst geworden. Doch nun war Tariq zurückgekehrt, und es stand eine ganze Menge auf dem Spiel. Dabei vagabundierten ihre Gedanken noch immer wild herum, während sie seine Hand auf ihrer Haut spürte. Und er wollte allen Ernstes über sie beide sprechen. Über uns .
„Es gibt kein Uns “, sagte sie trotzig. Sie tat, als würde sie nicht dahinschmelzen, als hätte sie alles bestens unter Kontrolle. Seinem Blick begegnete sie mit Offenheit. „Ich bin gar nicht sicher, ob es jemals ein Uns gegeben hat. Und ich habe keine Ahnung, welches Spiel du mit mir treiben willst.“
„Ich möchte dir einen Vorschlag unterbreiten“, sagte er mit großer Ruhe. Als existiere ihr Einwand nicht. Er ließ die Hand sinken und lehnte sich gegen den Kamin. Jeder Zoll der kühle, gefasste Monarch.
„Kaum ist es halb neun, schon willst du mir einen Vorschlag machen“, gab Jessa zurück. Sie war dabei, ihr Gleichgewicht wiederzufinden, und bemühte sich, ihrer Stimme einen amüsierten Ton zu verleihen. Sie versuchte, die Frauen zu imitieren, denen er sonst Vorschläge zu unterbreiten gewöhnt war.
Ihr Herz schlug schneller, Hitze durchflutete sie, während sie seine Hand immer noch auf ihrer Haut spürte.
„Bin ich so durchschaubar?“ Im gedämpften Licht wirkte sein Gesicht wie in Stein gemeißelt. Doch Jessa wusste, dass die eigentlichen Schatten, die sein Gesicht verdunkelten, aus seinem Inneren kamen.
Stocksteif stand sie da. Sie wollte das Risiko nicht eingehen, sich zu bewegen, sich nur einen Millimeter von ihm zu entfernen. Es wäre zu viel eines Eingeständnisses gewesen. Sie verschränkte die Finger vor ihrer Brust und presste die Hände zusammen.
„Die Frage ist nicht, ob du durchschaubar bist oder nicht“, sagte sie kühl. Herausfordernd hob sie die Augenbrauen. „Vermutlich bist du wie alle anderen Männer auch, wenn es ernst wird. Du hast Angst.“
Er schwieg. Mit einem Mal schien es kälter in dem Raum. Jessas Herz drohte stillzustehen. Ihr wurde mit einem Schlag bewusst, dass sie sich in diesen Sekunden in größerer Gefahr befand als je zuvor. Etwas Dunkles bewegte sich dicht vor ihrem Gesicht, und er zeigte eine wilde Grimasse, die weit davon entfernt war, sich in ein Lächeln zu verwandeln.
„Sei bitte vorsichtig, Jessa“, warnte er sie mit sanfter Stimme, die dennoch einen kalten Schauer über ihren Rücken jagte. „Es gibt nicht viele Menschen, die es wagen, einen König einen Feigling zu nennen.“
„Ich nenne lediglich die Dinge beim Namen“, erwiderte Jessa. Und tat, als ob sie keinen Knoten im Magen hätte. Als ob ihr nicht bewusst wäre, mit Sand nach einem Löwen zu werfen. Sie strich sich zwei widerspenstige Ringellocken aus der Stirn. „Als du weggerannt bist, warst du noch kein König, erinnerst du dich?“
„Weggerannt?“, hörte sie sein Echo. Er betonte jede Silbe einzeln.
„Wie würdest du es sonst nennen?“, hakte sie nach. Jessa war die Ruhe selbst. Sie lächelte sogar, wie nach einem kleinen Scherz. „Erwachsene
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