Julia Extra Band 0345
lachte verächtlich. „Sobald du das nächste Spielzeug entdeckst – wahrscheinlich eines mit makellosen Beinen und ohne Verpflichtungen – wirst du das sinkende Schiff verlassen. Wieso gibst du das Ganze nicht jetzt auf? Bitte deinen Bruder, die Führung zu übernehmen, oder stelle einen kompetenten Manager ein.“
Die Botschaft war klar: In den Augen seines Vaters war Carter ein völliger Versager. Schon als Kind war er für alles Negative verantwortlich gemacht worden, gleichgültig ob es sich um eine zerbrochene Vase oder etwas anderes gehandelt hatte. Am letzten Schultag hatte Jonathon sich ausschließlich für Cades Zeugnis interessiert, das ihn jedes Mal zu überschwänglichen Lobpreisungen veranlasst hatte. Nur widerstrebend hatte er dann noch nach Carters Zeugnis gefragt, das sich natürlich mit dem seines Zwillingsbruders nicht hatte vergleichen lassen. Carter konnte machen, was er wollte – es war nie gut genug. Onkel Harry hatte als Einziger immer zu ihm gehalten.
„Also erstens“, begann Carter, „ist Cade mit Melanies Unternehmen vollkommen ausgelastet, und zweitens bin ich durchaus in der Lage, mit der Situation fertig zu werden.“
„Das Einzige, womit du fertig wirst, sind Frauen.“
„Ich werde deinen Ansprüchen nie genügen, nicht wahr?“
Sein Vater entfernte einen Fussel von seinem Anzug. „Wenn du den gleichen Familienstand wie dein Bruder hast, kannst du vielleicht die letzten 37 Jahre, in denen du versagt hast, wieder gutmachen.“
Carters Miene blieb unbewegt, lediglich die Anspannung der Wangenmuskeln verriet seinen inneren Aufruhr. „Ach, darum geht es mal wieder? Sobald ich heirate, bin ich nicht mehr das schwarze Schaf der Familie?“
„Es wäre wenigstens ein Anfang. Außerdem würde es dem Geschäft nicht schaden.“
„Was hat denn mein Familienstand mit der Spielzeugfirma zu tun?“
„Dein Ruf ist dir wieder einmal vorausgeeilt. Man hält dich für absolut unzuverlässig. Wärest du verheiratet, könnte man hoffen, dass du eine gewisse Reife erreicht hast. Im Moment läuft dir die Kundschaft nur so davon.“
Innerlich zuckte Carter bei den Worten seines Vaters zusammen. Leider konnte er diesen einen gewissen Wahrheitsgehalt nicht absprechen. Sein Lebensstil hatte ihn nun einmal zum Liebling der Klatschspalten werden lassen. Und wenn das berüchtigte Sommerloch herrschte, schaffte er es durchaus auch einmal in die Klatschmagazine des Fernsehens. Man hielt ihn für einen Playboy, jemanden mit dem Verantwortungsgefühl und dem Rückgrat einer Lakritzstange – er war sozusagen das männliche Pendant zu Paris Hilton. Leider ohne deren Vermögen.
Sein Vater erhob sich. „Ich rate dir: Heirate und stell einen anständigen Manager ein. Und zwar am besten so schnell wie möglich. Deine Kunden laufen dir weg, wie Ratten das sinkende Schiff verlassen.“
Nachdem sein Vater sich mit diesen aufbauenden Worten verabschiedet hatte, starrte Carter auf seinen Schreibtisch, auf dem noch die Bilanzen lagen. Das Rot auf dem Papier sprang ihn geradezu an.
In zwei, bestenfalls drei Wochen würde er die Gehälter nicht mehr auszahlen können. Er dachte an Paul. Letzte Woche erst hatte er dessen Frau und die zwei Kinder kennengelernt. Mikes Mutter war im Krankenhaus, und Pearl musste Mann und Tochter ernähren.
Diese Menschen zählten auf ihn, sie waren von ihm abhängig. Er musste unbedingt TweedleDeeToys retten.
Sein Blick fiel auf Daphnes Visitenkarte neben dem Telefon. Sie brauchte Hilfe – er brauchte Hilfe.
Eine Idee keimte in ihm auf. Eine Idee, die mindestens so verrückt war wie die Selbstmord-Mieze …
Aber wenn sie funktionierte … würde sie die Firma vor dem sicheren Tod bewahren.
Daphne legte den Hörer auf und seufzte. „Wieder eine Absage!“, verkündete sie.
„Schätzchen, irgendjemand wird schon zusagen“, tröstete Reilly sie.
„Sicher – in zehn Jahren vielleicht. Ich will aber jetzt mein Projekt umsetzen – für diese Generation. Nicht erst für die meiner Enkel.“
„Um Enkel zu bekommen, müsstest du aber mehr als fünf Minuten in der Gegenwart eines Mannes verbringen“, konterte Reilly trocken.
Daphne verdrehte die Augen.
„Ich verstehe das nicht, da sind sie hinter mir her, um meine Seminare zu buchen, aber wenn ich sie um Spenden bitte, tun sie, als müssten sie ihr letztes Hemd hergeben.“
„War das eben der Letzte aus unserem Kundenstamm?“
„Leider. Ab jetzt machen wir Blindanrufe – und wir wissen ja, wie
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