Julia Extra Band 0345
großen Tageszeitungen arbeiten, weil er auf eine solche Story gestoßen ist!“
„Irgendwie komisch.“ Susie sah sich in der gemütlichen großen Wohnküche um. „Da wohnst du die ganze Zeit neben mir in diesem einfachen Haus im Londoner Bezirk Islington und bist eigentlich die Enkelin eines stinkreichen griechischen Tycoons!“
„Glaub jetzt nicht, das wäre wie im Märchen.“ Zoe stand auf und trug die Kaffeebecher zum Spülbecken. „Zu Theo Kanellis“, sie weigerte sich, das Wort Großvater auch nur zu denken, „habe ich keinerlei Beziehung.“
„In dem Brief steht aber etwas anderes“, merkte Susie an. „Er will dich kennenlernen.“
„Doch nicht mich, sondern Toby.“
Mit verschränkten Armen drehte Zoe sich zu Susie um. Ihr war nicht bewusst, dass sie damit betonte, wie dünn sie in den letzten Wochen geworden war. Ihr Haar, sonst seidig strahlend, hatte den Glanz verloren. Es war zu einem schlichten Pferdeschwanz zusammengebunden, was die dunklen Augenringe in ihrem schmal gewordenen Gesicht umso mehr betonte.
„Dieser schreckliche Mann hat den eigenen Sohn enterbt! Meine Mutter existierte für ihn nicht, genauso wenig wie ich. Er sucht nur deshalb plötzlich Kontakt, weil die Medienberichte ihn dazu zwingen. Vermutlich will er jetzt bei Toby nachholen, was ihm bei meinem Vater nicht gelungen ist.“ Vergeblich versuchte Zoe, nicht zu schluchzen. „Theo Kanellis ist ein kalter und herzloser alter Despot! Und er wird Toby niemals in die Finger kriegen!“
„Wow“, murmelte Susie nach diesem Ausbruch, „das liegt dir aber schwer im Magen, oder?“
Und ob, schwer ist der richtige Ausdruck, dachte Zoe verbittert. Mit nur minimaler Unterstützung von seinem hartherzigen Vater hätte ihr Vater vielleicht nicht stundenlang an einem alten Sportwagen herumschrauben müssen, um ihn fahrtüchtig zu halten. Den Wagen hatte ihr Vater damals mit nach England gebracht, als er vor einer Ehe geflohen war, die die Hölle für ihn bedeutet hätte. Erst in den vielen durchweinten Nächten nach dem Unfall der Eltern war ihr bewusst geworden, dass ihr Vater dieses dumme Auto nur deshalb so liebevoll gepflegt hatte, weil es die einzige Verbindung zu seiner Heimat gewesen war. Und wenn der alte Mann etwas nachgiebiger gewesen wäre, hätten ihre Eltern vielleicht in einem neueren Modell zur Geburtsklinik fahren können – in einem Modell, das den heutigen Sicherheitsstandards entsprach und den Zusammenstoß überstanden hätte. Dann könnten ihre Eltern heute vielleicht noch leben, und sie könnte weiterstudieren. Dem kleinen Jungen, der oben in dem mit solcher Liebe und Sorgfalt eingerichteten Kinderzimmer schlief, wären nicht die liebevollsten Eltern geraubt worden, die man sich vorstellen konnte.
Wow. Genau.
„Hier steht, ein Vertreter wird dich in seinem Auftrag aufsuchen.“ Susie hatte sich den Brief noch einmal vorgenommen. „Und zwar … heute Vormittag um halb zwölf!“
Natürlich … Theo Kanellis schickt jemanden, denn er selbst will mit so etwas nicht belästigt werden!
„Dann müsste er jede Minute hier sein.“
Zoe erwartete nur ein weiteres Gesicht in einer endlosen Reihe von Leuten, die während der letzten drei Wochen in ihrem Elternhaus ein und aus gegangen waren. Ärzte, Hebammen, Mitarbeiter des Sozialamts, Leute von mindestens hundert verschiedenen Abteilungen des Jugendamts – alle hatten sich überzeugen wollen, dass Zoe sich wirklich um den kleinen Bruder kümmern konnte.
Dann waren da noch die Leute vom Beerdigungsinstitut gewesen. Sie hatten sich mit getragenen Mienen bei der Tochter des Hauses nach den Arrangements für die Trauerfeier erkundigt.
Besagte Trauerfeier hatte übrigens vor drei Tagen stattgefunden, und Theo Kanellis hatte keinen Vertreter geschickt, um bei der Beerdigung des einzigen Sohnes und dessen Frau anwesend zu sein. War es ihm schlicht egal? Oder fürchtete er den Medienrummel?
Reporter waren in den letzten Wochen wie Heuschrecken über Zoe hergefallen, hatten an die Haustür gehämmert und sich mit Summen für Exklusivrechte überboten. Sie witterten nämlich die Chance, etwas über Theo Kanellis zu erfahren, der sich wie ein Einsiedler auf der eigenen Insel eingeigelt hatte. Und wer hatte die Früchte des Kanellis-Konzerns geerntet? Anton Pallis. Den Namen hatte Zoe oft genug abgedruckt gesehen, nur hatte sie bis heute nicht gewusst, dass er bekommen hatte, was eigentlich ihrem Vater zugestanden hätte. Ärger meldete sich sofort, allein wenn
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