Julia Extra Band 0349
gut.“
Mit diesem abgedroschenen Spruch wollte sie vor allem sich selbst beruhigen. Womöglich hatte der Mann aber innere Verletzungen?
„Wenn es mir gut geht, dann habe ich das bestimmt nicht Ihnen zu verdanken“, erwiderte er schroff.
Sie war erfreut, ihn so zusammenhängend reden zu hören, und von seinem leichten Akzent sehr angetan. Überhaupt: seine Stimme! Tief – und so dunkel wie feinste Schokolade.
„Ich kann mir denken, dass Sie hier auf dem Land für Ihr Vergnügen selber sorgen müssen, aber sich vor ein fahrendes Auto zu werfen kommt mir doch ein bisschen extrem vor“, fügte er hinzu.
Nun war sein Ton so bitter wie feinste Schokolade.
Das konnte sie dem Fahrer allerdings nicht vorwerfen. Ganz sicher ging es ihm nicht gut, auch wenn er sprechen konnte. Er hielt sich den Kopf und ließ vorsichtig die Schultern kreisen, was ihm ein dumpfes Stöhnen entlockte.
Selbst das klang so sexy, dass Libby ein wohliger Schauer über die Haut lief …
Normalerweise hätte Libby spöttische Bemerkungen wie seine mit gleicher Münze heimgezahlt, aber da sie den Mann beinah umgebracht hätte, hielt sie die bissige Erwiderung zurück, die ihr schon auf der Zunge lag.
„Wollten Sie nur meine Aufmerksamkeit erregen?“, erkundigte der Mann sich, immer noch sarkastisch. „Oder ist das ein althergebrachtes Paarungsritual in dieser Gegend?“
Statt erleichtert zu sein, dass ihm anscheinend nicht viel passiert war, wurde Libby nun echt wütend auf ihn. Das durfte sie sich aber weiterhin nicht anmerken lassen, also musste sie sich entschuldigen.
„Das alles wollte ich wirklich nicht“, erklärte sie kläglich.
Im Stillen machte sie eine Liste, was unter „alles“ zu verstehen war. Sie hatte beinah einen Mann umgebracht, sein sichtlich teures Auto war ein Totalschaden und Eustace inzwischen verschwunden.
Schlimmer konnte es eigentlich nicht kommen. Aber bei ihrem heutigen Pech war sie sich da nicht sicher.
„Es tut mir ja so leid, ehrlich“, fügte Libby zerknirscht hinzu.
„Oh, dann ist ja alles in bester Ordnung“, meinte der Fremde gespielt lässig.
Er beugte sich, eine Hand noch immer an den Kopf gepresst, vor und versuchte, den Sicherheitsgurt zu öffnen.
Libby blickte von den dunklen Locken an seinem Hinterkopf zur Windschutzscheibe und entdeckte dort einen Blutfleck. Das rief ihr in Erinnerung, dass sie hier die Missetäterin war und der Fahrer ihr unschuldiges Opfer. Rasch nahm sie ihr Handy aus der Jackentasche.
„Sie sind ja doch verletzt“, rief sie schuldbewusst. „Ich rufe einen Krankenwagen.“
In dem Moment befreite der Mann sich aus seinem Gurt und wandte sich ihr zu.
Unwillkürlich stöhnte sie leise. Nicht vor Schock, weil er verletzt war, denn das hatte sie erwartet. Aber der Fremde sah absolut umwerfend aus!
Lange dichte Wimpern umrahmten dunkelbraune Augen über prägnanten Wangenknochen, die leicht gebogene Nase wirkte ausgesprochen aristokratisch, und der breite Mund mit den festen, schön geschwungenen Lippen war verlockend sinnlich.
Ja, der Dunkelhaarige war unglaublich attraktiv und nicht nur das: Er besaß selbst in seinem leicht ramponierten Zustand eine unwiderstehlich erotische Ausstrahlung.
Um nicht zu sagen, er war der verkörperte Sex-Appeal …
Libby hatte weniger das Gefühl von Schmetterlingen als von startenden Kampfjets im Bauch, und ihre Haut begann zu prickeln, als säße sie in einem Champagnerbad, während sie den Mann fasziniert musterte.
Erst nach einigen Augenblicken bemerkte sie die blutende Platzwunde, die sich von einer Augenbraue bis zum Haaransatz zog, und dass er doch ein bisschen blass wirkte.
Normalerweise war sein Teint bestimmt leicht gebräunt, denn er war eindeutig ein südländischer Typ.
Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich. Dem Unfallopfer war nicht geholfen, wenn es langsam verblutete, während sie es hingerissen anhimmelte.
„Ich denke …“ Sie verlor völlig den Faden, als der Fremde ihren Blick erwiderte.
Seine Augen strahlten. Man hätte fast sagen können, sie sprühten Funken.
Libby wurde noch seltsamer zumute, aber vielleicht lag das ja am Jetlag … Sie ließ die Zungenspitze über die trockenen Lippen gleiten und zeigte auf seinen Kopf. „Da haben Sie etwas abbekommen!“
Er berührte die Stelle, wobei er nicht zusammenzuckte. Dann betrachtete er scheinbar gleichgültig das Blut auf seinen Fingern und wischte diese am Hemd ab.
Einem Hemd aus feinster Baumwolle, das durchtrainierte Brustmuskeln
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