Patrick seinen Stuhl nach hinten und begann, mit ausgreifenden Schritten sein Büro zu durchwandern. Er fühlte sich wie ein gefangenes Tier in einem zu kleinen Käfig und verspürte den unbezähmbaren Drang, aus diesem Käfig auszubrechen.
Als sein Blick auf den alten Globus fiel, der in einer Ecke des Raums stand, blieb er unvermittelt stehen. Er hatte ihn bei der großen Renovierungsaktion vor einem Jahr aus dem Konferenzsaal gerettet und betrachtete ihn in letzter Zeit recht oft. Dabei packte ihn jedes Mal das fast schmerzhafte Verlangen, überall auf diesem Planeten zu sein, solange es nicht London war.
Mit einem leichten Stups setzte Patrick den Globus in Bewegung und ließ die farbigen Umrisse der verschiedenen Kontinente an sich vorbeiziehen. Nach einer Weile berührte er ihn mit der Fingerspitze und spürte einen gespannten Kitzel, als sich die Drehgeschwindigkeit verlangsamte.
Wenn er aufhört, sich zu drehen, gehe ich genau dorthin, wohin mein Finger zeigt, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Mit angehaltenem Atem wartete er, und als es endlich so weit war, musste er über sich selbst lachen. Er hatte etwas Spektakuläres, Exotisches erwartet wie Tahiti oder Rio de Janeiro, aber sein Finger zeigte auf eine winzige Insel vor der Ostküste Australiens.
Patrick kniff die Augen zusammen, um die kleine Schrift zu entziffern. Magnetic Island , las er. Er hatte noch nie davon gehört und wollte gerade wieder zur Tagesordnung übergehen, als etwas ihn innehalten ließ. Gerade eben war er noch verzweifelt genug gewesen, um an jeden beliebigen Ort auf der Welt zu flüchten. Sollte er da nicht wenigstens kurz checken, was es mit dieser Insel auf sich hatte?
Aber was sollte das bringen? Seine Arbeit fesselte ihn an London. Er würde weder nach Magnetic Island noch sonst wohin reisen können.
Und wenn du es doch irgendwie möglich machst? meldete sich eine kleine Stimme in seinem Kopf. Es ist allerhöchste Zeit, dass du dir eine Auszeit nimmst.
Wieder zurück an seinem Schreibtisch, ging Patrick ins Internet und gab „Magnetic Island“ in die Suchmaschine ein. Wie sich herausstellte, lebte die Insel vorwiegend vom Tourismus und schien sich gar nicht sosehr von Tahiti zu unterscheiden. Zumindest gab es dort ebenfalls Palmen, weißen Sand und türkisblaue, tropische Buchten.
Patrick scrollte durch die Liste mit den angebotenen Unterkunftsmöglichkeiten, bis sein Blick an dem Wort „Haustausch“ hängen blieb. Neugierig geworden, klickte er den entsprechenden Link an und las:
Magnetic Island, Queensland, Australien
Biete Cottage mit zwei Schlafzimmern gegen Wohnung in London, UK
Ab 1. April für drei bis vier Monate
Mit seiner fantastischen Lage auf einer bewaldeten Landzunge bietet dieses Haus einen einzigartigen Meerblick. Mehrere schöne Buchten sind bequem zu Fuß zu erreichen. Am Rande des Great Barrier Reef gelegen, ist die Insel ein Paradies zum Fischen, Tauchen, Segeln, Kanufahren und Parasailing.
Ein breites Lächeln erschien auf Patricks Gesicht. Für einen Moment konnte er sich schon auf der Insel sehen. In einer anderen Hemisphäre, einer völlig neuen Welt …
Freiheit, ich komme!
Er würde mit tropischen Fischen schwimmen. Unter Palmen in einer Hängematte liegen. Australischen Bikinischönheiten nachblicken. Den Thriller schreiben, der bisher nur in seinem Kopf existierte, und sich dabei vom Anblick des blauen, glitzernden Ozeans inspirieren lassen …
Widerstrebend riss Patrick sich von dem verlockenden Tagtraum los und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Es fiel ihm jedoch schwer, sich zu konzentrieren, da er im Geiste bereits einen Anzeigentext formulierte:
Biete Haus mit drei Schlafzimmern im begehrten Stadtteil Chelsea, London, UK
Kamin, zwei Balkone, Garten
ausgezeichnete Verkehrsanbindung
zahlreiche Restaurants / Geschäfte / Galerien / Museen bequem zu Fuß erreichbar.
ab April/Mai bis Juni/Juli für drei Monate
Bevorzugtes Ziel: die Küste von Queensland, Australien
Als Patrick dreieinhalb Stunden später die letzte Akte schloss, stand für ihn fest, dass er es tun würde.
Es musste sein!
Morgen früh würde er gleich als Erstes einen Gesprächstermin mit seinem Boss vereinbaren.
2. KAPITEL
An: Patrick Knight
Von: Molly Cooper
Betrifft: Reif für einen Tapetenwechsel
Hi Patrick,
ich kann noch immer kaum glauben, dass ich in etwas mehr als vierundzwanzig Stunden tatsächlich in ENGLAND sein werde! Ich