Julia Extra Band 0350
ich wollte in seiner Gegenwart keine Schwäche zeigen. Es war ein schrecklicher Gedanke, nur Teil eines Spiels gewesen zu sein. Ein kleiner Scherz am Rande. Ein amüsanter Zeitvertreib zwischen zwei Flügen.
„Wie konntest du nur?“, habe ich ihn angeklagt und dabei so schrill wie das sprichwörtliche Fischweib geklungen. „Warum hast du dir so viel Mühe gemacht, mich auszutricksen? Hat es denn wenigstens Spaß gemacht?“
„Es tut mir leid, Molly“, erwiderte er leise und sehr ernst. „Ich wollte dich nicht verletzen. Es schien mir eine gute Idee zu sein, aber …“ Er hob die Hände, als würde er nach den richtigen Worten suchen, aber da ihm offensichtlich nichts einfiel, ließ er sie wieder sinken.
„Was schien dir eine gute Idee?“, hakte ich sarkastisch nach. „Mich von vorn bis hinten zu belügen?“
„Du hattest dir so gewünscht, deinen perfekten Engländer kennenzulernen, und da dachte ich …“
„Ah ja, ich verstehe. Ich war so dumm, mich dir anzuvertrauen, und du dachtest, es wäre witzig, nach der Hochzeit deiner Mutter ein kleines Spiel mit mir zu spielen.“
„Nein, ich …“ Wieder verstummte er hilflos.
„Ich habe dir leidgetan!“
„Ich wollte, dass du glücklich bist.“
„Ich war glücklich, vielen Dank.“
Darauf gab er einen schweren Seufzer von sich und fuhr sich mit allen zehn Fingern durch sein schönes dunkles Haar.
Ich war fassungslos. Wie um alles in der Welt hatte er ernsthaft annehmen können, dass dieser Betrug mich glücklich machen würde? Ich hatte „Peter“ vertraut. Ich hatte mich in ihn verliebt !
„Was sollte diese Komödie?“, habe ich ihn gefragt. „Wieso hast du nicht einfach gesagt: Ich bin Patrick und verbringe einige Tage in London. Und da ich schon einmal hier bin, könnten wir doch an einem der nächsten Abende zusammen ausgehen.“
Als er darauf erwiderte, dass es sich dann nicht wie ein richtiges romantisches Date für mich angefühlt hätte, wäre ich ihm vor Wut am liebsten an die Kehle gesprungen. Unsere schöne gemeinsame Zeit war also nichts weiter gewesen als die großmütige Geste eines Londoner Bankers, der einer naiven Australierin das Highlight ihres Lebens verschaffen wollte.
Wenigstens gelang es mir, mit königlicher Würde auf die Tür zu deuten, aber ich wusste, dass ich kurz vor einem Heulkrampf stand.
Patrick wirkte sehr bestürzt, und als sein Blick auf meine gepackte Reisetasche fiel, murmelte er: „Du willst also nicht …“
„… mit dir nach Cornwall fahren?“, unterbrach ich ihn scharf. „Wohl kaum.“
Es war so bitter! Ich hatte nicht nur meinen Traummann verloren, sondern auch die Aussicht auf ein wundervolles Wochenende.
Patrick wollte noch etwas sagen, aber ich winkte nur müde ab und öffnete demonstrativ die Tür. Und nein, ich hatte KEIN schlechtes Gewissen, Patrick seines eigenen Hauses zu verweisen. Nach allem, was er mir angetan hatte, war er noch billig davongekommen, wie ich finde.
Mollys Tagebuch. London, 31. Mai
Leider ist mein Leben noch nicht in seine normalen Bahnen zurückgekehrt. Ich bin immer noch tief verletzt und sehr, sehr wütend.
Das muss wohl auch der Bote begriffen haben, der gestern Vormittag mit einem gigantischen Strauß herrlicher Sommerblumen vor der Tür stand. Als ich ihm mitteilte, dass ich an einer Pollenallergie leiden würde und daher die Blumen nicht annehmen könne, zuckte er nur die Schultern und ging wieder.
„Einige Schwachköpfe scheinen einfach nicht zu begreifen, dass ein Blumenstrauß nicht jede Sünde wiedergutmacht“, habe ich ihn auf dem Weg zu seinem Lieferwagen murmeln hören.
Wie recht er doch hat!
Um mich auf andere Gedanken zu bringen, habe ich einen langen Spaziergang durch den Battersea Park gemacht, aber das war leider keine gute Idee. Überall sah ich glückliche Paare jeden Alters, die zusammen joggten, Arm in Arm gingen, ihre Hunde ausführten, auf Parkbänken saßen oder nebeneinander im Gras lagen und sich tief in die Augen schauten
Also kehrte ich wieder in Patricks Haus zurück, wo meine Gedanken natürlich sofort wieder anfingen, um meine eigene tragische Nicht-Romanze zu kreisen. Warum hat Patrick mich überhaupt zu diesem Wochenende eingeladen? Mein sogenanntes „Traumdate“ hatte ja bereits stattgefunden. Die Täuschung war erfolgreich ausgeführt worden und seine Rolle als „perfekter Gentleman“ gespielt.
Ich nehme an, er hatte vor, die Situation weiter auszunutzen. Nach unserem Kuss wusste er, dass die Frucht reif zum
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