habe auch nur dein Tagebuch, um die Lage einzuschätzen.
Willst du mich nicht besser anrufen? Dann könnten wir „richtig“ über alles reden.
In Liebe,
Karli
Mollys Tagebuch. London, 8. Juni
Ich bin schockiert. Solange ich denken kann, war Karli meine beste Freundin, und jetzt, da ich sie brauche wie nie, verweigert sie mir ihre Unterstützung.
Wieso versteht sie meine Gefühle nicht?
Und wie kann sie Patricks hinterhältiges Manöver ernsthaft als „süße Geste“ bezeichnen?
Begreift sie denn nicht, wie dumm und naiv ich mich gefühlt habe? Wie demütigend es für mich war, so an der Nase herumgeführt zu werden? Wie weh dieser Vertrauensbruch getan hat?
Ich finde, ich habe jeden Anlass, wütend zu sein, nur in einem gebe ich Karli recht: Wir sollten miteinander telefonieren. Am besten gleich morgen früh, dann ist es in Australien Abend, und wir können in Ruhe alles durchsprechen.
Eins ist sicher: Ich werde mich erst wieder entspannen können, wenn ich Karli fest an meiner Seite weiß.
Mollys Tagebuch. London, 9. Juni
Konnte nicht einschlafen. Bin aufgestanden und habe mir heiße Milch mit Honig gemacht und dazu Rosinenbrötchen mit Butter. Trostfutter mitten in der Nacht, aber was soll’s? Besser eine mitternächtliche Fressorgie, als hellwach im Bett zu liegen und darüber nachzugrübeln, was ich Karli morgen sagen werde.
Trotzdem frage ich mich auch jetzt, wie unser Gespräch wohl verlaufen wird. Vielleicht ja ungefähr so:
Karli:
Warum bist du so sauer auf Patrick?
Molly:
Weil er mich belogen und betrogen hat.
Karli:
Ich finde, das ist ein bisschen hart ausgedrückt. Er wollte doch nur deinen Aufenthalt in London richtig perfekt machen. Komm schon, Molly, gib es zu: Du hast mit Peter so viel Spaß gehabt, wie noch nie in deinem Leben.
Molly:
Aber es war alles nur eine Farce! Es war nicht real!
Karli :
Und warum hätte es real sein sollen?
Molly :
Weil es so wahnsinnig schön war, und weil ich mich in Patrick verliebt habe, während er vorgab, Peter zu sein, und jetzt habe ich sie beide verloren und … (ausweichendes Murmeln)
Karli :
Was sagtest du, Molly?
Molly :
(flüsternd:) vielleicht bin ich immer noch in ihn verliebt …
Karli :
Bist du noch da Molly? Irgendetwas stimmt mit der Leitung nicht. Sprich lauter, ich kann dich nicht verstehen …
Oh Gott, ich glaube, es ist wahr!
Dass ich immer noch in Patrick verliebt bin, meine ich.
Ist das womöglich der Grund, warum ich nicht aufhören kann, wütend auf ihn zu sein?
Ich habe mich rasend in ihn als Peter verliebt und mir gewünscht, dass er dasselbe auch für mich empfindet, aber Peter war nichts weiter als eine Fiktion.
Ja, ich bin immer noch stinksauer, aber gleichzeitig auch so traurig, dass ich am liebsten sterben würde. Ich hätte über so vieles mit Patrick reden können, wenn er nicht so beschäftigt damit gewesen wäre, Peter zu sein. Über Dinge, die uns beiden wichtig sind, wie unsere Häuser, seine Mutter, meinen Dad, seinen Roman, meine Insel, sein London. Und natürlich auch seine geliebten Kupferstreifen-Pinzettfische. Und jetzt …
Ach, ich weiß es einfach nicht. Ich bin total durcheinander, und komme immer mehr zu dem Schluss, dass ich noch nicht in der Verfassung bin, mit Karli darüber zu reden. Ich werde es tun, aber erst, wenn ich mein Selbstmitleid überwunden und diese Episode auf eine halbwegs erwachsene Art verarbeitet habe.
Und meine erste Tat auf diesem Weg wird es sein, Patrick eine Mail zu schicken. Ich werde ihm kurz, aber freundlich anbieten, das Geschehene auf sich beruhen zu lassen, ohne mir meine wahren Gefühle anmerken zu lassen. Ich hoffe nur, dass ich den richtigen Ton treffe.
9. KAPITEL
An: Patrick Knight
Von: Molly Cooper
Betrifft: Bist du gut angekommen?
Lieber Patrick,
ich hoffe, dass du einen angenehmen Rückflug nach Australien hattest und mit dem Schreiben gut vorankommst.
Hier ist so weit alles in Ordnung. Nur Cidalia ist zurzeit ein Nervenbündel, was auch der hauptsächliche Grund für diese Mail ist. Sie wird Großmutter, und es kann jeden Tag so weit sein. Falls das Baby ein Junge wird, soll es Felipe Rafael heißen, und wenn es ein Mädchen wird, Yasmin Cidalia. Jedes Mal, wenn das Telefon klingelt, stürzen wir uns darauf, in der Hoffnung, dass es die Nachricht ist.
Ich habe Cidalia übrigens nichts von deiner Stippvisite in London erzählt. Ich nehme an, dass sie nichts davon wusste, und schlage vor, es auch