Julia Extra Band 0350
kleinen Studio. Ob er sie dann begehren würde?
Begehrte sie ihn? Hatte sie einen einzigen Blick auf ihn geworfen und war sofort verloren gewesen? Ein tiefer Schauer erfasste sie bei dem Gedanken.
Wieso wirkt sie mit einem Mal so erschüttert? fragte Marco sich. So als hätte sie eine schreckliche Wahrheit erkannt, der sie nicht entfliehen konnte. Aber wahrscheinlich versuchte sie nur wieder, sein Mitleid zu erregen. Schließlich wusste er ja inzwischen, dass sie eine exzellente Schauspielerin war.
Lily ermahnte sich still. Sie war eine qualifizierte Expertin auf ihrem Gebiet, und sie hatte einen Auftrag zu erledigen. Sie musste sich zusammennehmen. Sie würde sich schützen, indem sie vorgab, dass nichts Außergewöhnliches geschehen war.
„Ist das da vorn die Villa?“, fragte sie so geschäftsmäßig, wie sie konnte.
Marco neigte leicht den Kopf, um zur Luke hinauszusehen. Der Duft seines Aftershaves stieg Lily in die Nase. Sie lehnte sich steif zurück, um jeden Körperkontakt mit ihm zu vermeiden. Er sollte nicht glauben, sie sei versucht, die Nähe auszunutzen, nicht nach dem, was passiert war.
Männer langweilten sich schnell mit Frauen, die ihnen zu ergeben waren. Das männliche Geschlecht brauchte die Jagd, um sich dann mit der Trophäe brüsten zu können. Wenn die Trophäe dann allerdings zu klammern begann und anhänglich wurde, hatten sie keine Verwendung mehr für sie. Lily hatte es so oft bei ihrem Vater gesehen. Und sie hatte miterlebt, wie es ihrer Mutter das Herz gebrochen hatte. Es war besser, gar nicht zu lieben, als an unerwiderter Liebe zugrunde zu gehen.
Eine Strähne hatte sich aus ihrem Knoten gelöst. Marco verspürte den Drang, die Hand auszustrecken und das Haar zurückzustreichen. Sollte er es tun, würden seine Knöchel wahrscheinlich sanft Lilys Hals berühren, und dann würde sie ihm das Gesicht zuwenden, die Lippen leicht geöffnet, bereit für seinen Kuss … Er wollte, dass genau das passierte.
Als er das erkannte, durchzuckte ihn ein schmerzhafter Stich. Ja, er wollte sie in seine Armen ziehen und küssen, bis sie sehnsüchtig seinen Namen seufzte. Was geschah nur mit ihm? Wie konnte er solche Gefühle für eine Frau haben, der er eigentlich misstrauen, ja, die er sogar verachten sollte?
Am Vormittag hatte er beobachten können, wie sie mit den Kuratoren in den beiden Villen gesprochen hatte – und er hatte eine Frau erlebt, die gebildet und gewandt in der Kunst der Kommunikation war, eine Frau, die über ein enormes Wissen verfügte und Hingabe besaß. Respektvoll hatte sie sich angehört, was die beiden Kuratoren zu erzählen hatten, auch wenn Marco vermutete, dass sie weit mehr über die Sammlungen und die Geschichte der Villen wusste als die beiden zusammen. Er hatte den Eindruck gewonnen, dass ihr die Gefühle anderer wichtig waren … Andererseits hatte sie keinerlei Skrupel gehabt, aus der Gutgläubigkeit eines naiven jungen Mannes Profit zu schlagen.
„Ja, das ist die Villa“, bestätigte er, und im gleichen Augenblick legte das Boot auch schon an. „Ich habe einen Wagen bestellen lassen, der uns abholt, nachdem wir die Sammlung besichtigt haben. Heute haben wir wohl keine Zeit, um noch eine Seidenweberei zu besuchen. Die Herzogin erwartet uns, und sie legt großen Wert auf Pünktlichkeit. Sie liebt es, Gesellschaften zu geben. Ich gehe davon aus, dass sie entsprechende Arrangements für den heutigen Abend getroffen hat. Falls Sie lieber nicht an einer großen Dinnerparty teilnehmen möchten, werde ich ihr sagen, dass Sie Ihren Bericht für die Historische Gesellschaft fertigstellen müssen.“
Er hatte recht, sie würde lieber nicht daran teilnehmen, aber Lily vermutete, dass er mit seinem Vorschlag eher vermeiden wollte, noch mehr Zeit mit ihr verbringen zu müssen, als auf sie Rücksicht zu nehmen. „Das ist nicht nötig. Schließlich gehört es auch zu meiner Aufgabe, so viel wie möglich über die heutigen Besitzer der Villen zu erfahren. Ich denke, dass die Herzogin eine faszinierende Persönlichkeit ist und sicher interessante Anekdoten über die Villa und ihre Geschichte zu erzählen weiß. Sollte Ihr Vorschlag jedoch nur ein höflich verkleideter Vorwand sein, weil Sie mich nicht dabei haben wollen …“ Sollte er ruhig wissen, dass sie ihn durchschaut hatte.
„Nein, keinesfalls“, bestritt er sofort. „Ich dachte nur, Sie hätten vielleicht gern etwas mehr Zeit für sich.“
„Ich bin hier, um zu arbeiten“, sagte sie entschieden. „Dazu
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