Julia Extra Band 0350
gehört auch, dass ich mir anhöre, was die Menschen, die heute in Verbindung mit den Villen stehen, zu sagen haben.“
Der Besuch der dritten Villa nahm mehr Zeit in Anspruch, als Marco eingeplant hatte. Seit Generationen war sie im Besitz derselben Familie, und der heutige Bewohner, ein älterer Visconte, der fließend Englisch sprach, wusste so manches zu erzählen. Er erlaubte Lily zudem, Fotos von den Räumen zu machen, und sie war sich bewusst, welch großen Gefallen er ihr damit tat.
Im Gegensatz zum Visconte, der völlig hingerissen von Lily war, begann Marco wieder an ihr zu zweifeln, als er beobachtete, wie sie mit ihrer Kamera arbeitete.
Er würde froh sein, wenn diese Aufgabe endlich erfüllt war, wenn er zu seinem normalen Leben zurückkehren und Dr. Lillian Wrightington endlich für immer aus seinem Kopf verbannen konnte.
Auch aus dem Herzen? Die zuckersüße innere Stimme kam sprichwörtlich aus dem Nichts und ließ Marco abrupt stehen bleiben. Lily bedeutete ihm nichts. Zugegeben, gestern Nacht hatte er sie begehrt, aber was bedeutete schon körperliches Verlangen? Und seine Emotionen waren nicht betroffen.
Ganz sicher nicht.
Der Chauffeur lenkte die Limousine an den gepflegten Blumenrabatten vorbei die Auffahrt hoch. Während der gesamten Fahrt zur Herzogin hatte Marco geschwiegen, und Lily hatte sich in der kühlen Atmosphäre, die zwischen ihnen herrschte, immer unwohler gefühlt. Doch jetzt, als sie die Villa im warmen Oktobersonnenschein unter strahlend blauem Himmel liegen sah, meldete sich wie immer ehrfürchtige Bewunderung für die Leistungen der Architekten.
„Das ist faszinierend schön“, murmelte sie ergriffen vor sich hin.
Ihre bewegte Stimme brachte Marcos Schutzschild einen Riss bei. Das Schimmern von Tränen in den Augen konnte Lily einfach nicht vortäuschen, auch wenn er das gerne geglaubt hätte. Ein Stich durchfuhr ihn, der dem Gefühl von Eifersucht ähnelte, nur dieses Mal nicht auf einen anderen Mann, sondern …
„Es ist ein hübscher Anblick, dennoch ich bin der Auffassung, dass unser castello dieser Villa einiges voraushat. Sie werden mir sicher zustimmen, wenn Sie es erst gesehen haben.“
Das Castello di Lucchesi. Marcos Familienstammsitz. Dorthin hatten seine Vorfahren ihre Ehefrauen gebracht und Kinder mit ihnen gezeugt. Kinder … Lilys Herz meldete sich verräterisch, als ein Stich weiblicher Sehnsucht es durchfuhr. Sehnsucht und Neid … Neid auf die Frau, die Marco eines Tages in das castello bringen würde, auf die Frau, die ihm Kinder schenken würde.
Was tat sie sich hier an? Warum hegte sie Gedanken und Gefühle, die ihr nur Kummer und Leid einbrachten? Es sollte ihr gleich sein, doch das war es nicht. Hieß das etwa … Sie wollte nicht weiter darüber nachdenken, was es heißen könnte.
Lily war erleichtert, als der Wagen zum Stehen kam. Endlich konnte sie Marcos Nähe und der Wirkung, die er auf sie hatte, entkommen.
Die Herzogin persönlich kam die Außentreppe herunter, um die Gäste zu begrüßen. Mit einem herzlichen Lächeln hakte sie sich bei Lily und Marco unter.
„Sie beide brauchen sich nicht zu verstecken“, sagte sie verschwörerisch und lachte leise. „Nachts über die Gänge schleichen, das Herz schlägt einem bis in den Hals, weil man befürchtet, dass beim nächsten Schritt eine Diele knackt oder einem doch ein Dienstbote über den Weg läuft … Ich kann mich noch gut daran erinnern. Aber die Zeiten haben sich geändert, und ich denke, ich bin mit der Zeit gegangen. Daher … Meine Haushälterin, deren Schwester in der Villa d’Este arbeitet, ließ mich wissen, dass Sie beide sich dort eine Suite geteilt haben. Darum habe ich angewiesen, für Ihren Aufenthalt meine schönste Gästesuite für Sie vorzubereiten.“
7. KAPITEL
Lily verschlug es die Sprache. Sie konnte nicht einmal einen klaren Gedanken fassen, starrte die Herzogin nur mit stummem Entsetzen an.
„Ich bin sicher, Sie werden sich wohlfühlen. Der Blick über den See ist einfach fantastisch. Mein verstorbener Mann und ich haben dort gewohnt, wenn wir herkamen, um meinen Vater zu besuchen.“ Die Herzogin seufzte verträumt. „Junge Liebe ist immer etwas ganz Besonderes. Ich habe so viele glückliche Erinnerungen. Bei mir war es Liebe auf den ersten Blick … mein verstorbener Mann hingegen hat einen vollen Tag gebraucht“, meinte sie gespielt schmollend und fügte dann hinzu: „Ich hoffe wirklich, der Aufenthalt hier bringt Ihnen ebenso glückliche Stunden
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