Julia Extra Band 0354
bräuchte frische Luft, und verließ den Saal durch die offenen Terrassentüren. Sowie Julia ihre Rede beendet hat, verschwinde ich und vergesse dieses Wiedersehen, nahm er sich wütend vor.
Julia verließ das Podium. Fast hätte sie bei ihrem Vortrag den Faden verloren, als Kaden, der die meisten Anwesenden überragte, sie vom anderen Ende des Ballsaals mit loderndem Blick durchbohrt hatte und dann plötzlich nach draußen gestürzt war, als hätte er sich über eine ihrer Bemerkungen geärgert. Nur durch äußerste Selbstbeherrschung war es ihr gelungen, ihre plötzliche Verunsicherung zu überspielen und ihren Vortrag fortzusetzen.
Der Vorfall hatte ihr jedoch so zugesetzt, dass sie sogar froh war, als ihr Vorgesetzter von der Fundraising-Stiftung zu ihr eilte und sie besitzergreifend unterhakte. Normalerweise achtete sie darauf, die Distanz zu ihm zu wahren. Seit ihrer Scheidung vor einem Jahr gab Nigel ihr immer deutlicher zu verstehen, dass er sich für sie interessierte, obwohl Julia nicht auf seine Annäherungsversuche einging. Heute Abend brauchte sie jedoch jede Unterstützung. Wenn der schier endlose Small Talk überstanden war und sie endlich verschwinden konnte, könnte sie sich vielleicht einreden, Kaden wäre gar nicht da gewesen.
Nigel redete aufgeregt auf sie ein, als er sie vom Podium wegführte. Doch der Geräuschpegel im Saal war so hoch, dass Julia kein Wort verstand. Die Gäste sprachen eifrig dem Champagner zu, der gratis ausgeschenkt wurde. Auch Julia sehnte sich nach einem Glas, vielleicht würde sie der Alkohol etwas beruhigen. Doch Entspannung war ihr nicht vergönnt, denn entsetzt musste Julia feststellen, dass Nigel sie direkt zu dem großen schwarzhaarigen Mann an der Terrassentür führte, den sie am liebsten ignoriert hätte. Genau wie damals reichte Kadens dichtes lockiges Haar ein wenig zu lang über den Kragen seines Sakkos.
Wie ein aufsässiges Kind versuchte sie stehen zu bleiben, doch Nigel zog sie einfach weiter und flüsterte ihr zu: „Er ist ein Emir. Ich habe keine Ahnung, wie man ihn anreden muss. Am besten sagen wir einfach ‚Eure Hoheit‘, damit können wir nichts falsch machen. Es wäre ein echter Coup, ihn für die Stiftung zu gewinnen.“
Im Bruchteil einer Sekunde erinnerte sich Julia an die erste Begegnung mit Kaden. Sie hatte erst seit zwei Wochen an der Ausgrabungsstätte gearbeitet und noch mit der enormen Hitze gekämpft, als sie aus dem Augenwinkel ein Paar Männerschuhe wahrgenommen hatte. Ohne aufzublicken, hatte sie den Träger der Schuhe ärgerlich angeherrscht: „Keinen Schritt weiter! Sonst stehen Sie gleich auf einem etwa dreitausend Jahre alten Fossil.“
Der Mann gehorchte. Mit tiefer, leicht fremdländisch klingender Stimme fragte er zuckersüß: „Begrüßen Sie alle Menschen so enthusiastisch?“
Julia biss die Zähne zusammen. Seit ihrer Ankunft stand sie im Mittelpunkt männlichen Interesses – wie sie sich illusionslos eingestand, vermutlich allein deshalb, weil sie blond und die einzige Frau unter fünfzig war.
„Sie sehen doch, dass ich beschäftigt bin!“
Die Schuhe bewegten sich keinen Millimeter und erneut ertönte die Stimme, dieses Mal in arrogantem, vorwurfsvollem Tonfall. „Das gibt Ihnen nicht das Recht, den Kronprinzen zu ignorieren. Ich erwarte Ihre volle Aufmerksamkeit, wenn ich mit Ihnen spreche!“
Bestürzt legte Julia die Bürste hin. Sie hatte völlig vergessen, dass der Emir mit einigen wichtigen Begleitern die Ausgrabungsstelle besuchen sollte – und mit seinem Sohn! Geblendet von der Sonne sah sie höher und höher hinauf zu dem großen breitschultrigen Mann, der über ihr stand. Alles, was sie in dem gleißenden Licht von ihm erkennen konnte, war seine Silhouette. Langsam zog sie die Handschuhe aus und richtete sich auf. Vor ihr stand der unwiderstehlichste Mann, den sie je gesehen hatte. Seine Körpergröße und die breiten Schultern wurden von dem weißen Gewand noch betont. Unter einem Turban lugten pechschwarze Locken hervor, die sich bis über den Kragen kräuselten. Und dann diese hypnotisierenden dunklen Augen! Völlig überwältigt hatte Julia den Helm abgenommen und eine Hand zur Begrüßung ausgestreckt …
„Und das ist Dr. Somerton, deren Vortrag Sie gerade gehört haben. Ihre Aufgabe in der Stiftung besteht darin, sicherzustellen, dass die Spendengelder auch tatsächlich an den jeweiligen Ausgrabungsstätten ankommen.“
Die Vergangenheit verband sich mit der Gegenwart; Julia streckte
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