Julia Extra Band 0354
mal was mit meiner Spendenbeauftragten gehabt hat.“
Sein Tonfall missfiel ihr. Trotzdem bemühte sie sich, höflich zu bleiben. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass so eine Kleinigkeit seine Spendenbereitschaft beeinflusst. Und falls doch, ist es erst recht besser, wenn ich jetzt verschwinde.“
Erneut hielt Nigel sie zurück. Seine verschwitzte Hand, bei deren Kontakt Julia leichte Übelkeit empfand, unterschied sich völlig von Kadens kühler, aber erregender Berührung.
„Bitte verzeih mir, Julia.“ Nigel lächelte zerknirscht. „Darf ich dich als Wiedergutmachung an einem der nächsten Tage zum Abendessen einladen?“
Julia widerstand dem Impuls, die Einladung anzunehmen, um Nigel für den Moment abzuwimmeln. Das Wiedersehen mit Kaden hatte sie völlig aus dem Gleichgewicht gebracht. Dabei hatte sie sich eingebildet, ihr Leben nach der Scheidung wieder völlig im Griff zu haben. Doch nur einige Minuten in Kadens Nähe hatten ihre Welt bereits bedenklich ins Wanken gebracht.
Ablehnend schüttelte Julia den Kopf. „Nein, vielen Dank, Nigel. Ich bin einfach noch nicht bereit für eine neue Beziehung. Tut mir leid.“ Sie entzog ihm die Hand und trat einige Schritte zurück. „Wir sehen uns morgen im Büro.“ Wahrscheinlich würde er sie den ganzen Tag unter seiner schlechten Laune leiden lassen, weil sie ihm eine Abfuhr erteilt hatte.
Hastig drehte Julia sich um und erreichte mit wenigen Schritten endlich den Ausgang. Sie konnte es kaum erwarten, sich in ihre eigenen vier Wände zurückzuziehen, aus dem engen Cocktailkleid zu schlüpfen und es sich gemütlich zu machen. Diesen Abend und die Tatsache, dass die Vergangenheit sie mit der Wucht eines Vorschlaghammers getroffen hatte, wollte sie so schnell wie möglich vergessen.
Eigentlich hätte Kaden sich nach Julias überstürztem Aufbruch wieder auf die Rolle konzentrieren sollen, die an diesem Abend von ihm erwartet wurde. Bei jeder anderen ehemaligen Geliebten wäre ihm das nicht schwergefallen, aber nun spürte er den dringenden Impuls, Julia zu folgen. Insbesondere nachdem er Zeuge geworden war, wie dieser unterwürfige Mann sich erdreistet hatte, Julia anzufassen, und ihr dann wie ein vernarrtes Schoßhündchen nachgelaufen war.
Daher entschuldigte er sich bei dem immer noch leicht verwirrt wirkenden Geschäftsführer des Clubs und bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge, ohne auf das Getuschel zu achten. Euphorisch gehorchte er seinem Instinkt. Er fühlte sich wie ein Adler, der seine Beute bereits fest im Blick hat und sie sich nicht entgehen lassen würde.
Schon vor zwölf Jahren hatte sein Verstand ausgesetzt, wenn es um Julia ging. Noch immer fühlte er sich in ihrer Nähe wie berauscht. Er konnte nichts dagegen tun. Erst als er die verlassene Eingangshalle erreichte, wurde ihm bewusst, dass sein Handeln völlig irrational war. Julia war verschwunden!
Warum nur stürzte ihn diese Tatsache in tiefe Trostlosigkeit? Woher rührte der dringende Wunsch, sie zu finden? Er war doch eigentlich fertig mit Julia. Und zwar seit vielen Jahren.
Kaden ärgerte sich über seinen schwachen Moment und rief seine Sicherheitskräfte – wild entschlossen, den Club auf der Stelle zu verlassen und zu vergessen, dass er Julia Connors, beziehungsweise Somerton , wie sie sich jetzt nannte, wieder begegnet war. Es kam gar nicht infrage, sich je wieder von seinen Gefühlen leiten zu lassen, statt auf seinen Verstand zu hören. Damals hatte er sein persönliches Vergnügen über Pflichten und Verantwortung gestellt. Das durfte nie wieder passieren!
Julia hatte den Eingang der nahe gelegenen U-Bahn-Station bereits im Blick. Im nächtlichen London herrschte drückende Schwüle, die sich um Julias Körper legte und ihre Haut benetzte. Entferntes Donnergrollen und auffrischender Wind kündigten ein Gewitter an. Dunkle tief hängende Wolken hatten sich bedrohlich über der Stadt zusammengezogen. Das Wetter passte durchaus zu Julias Stimmung. Noch verstörender war allerdings die Tatsache, dass sie in der letzten Zeit immer wieder aufwühlende Träume gehabt hatte, in deren Mittelpunkt stets Kaden stand.
Wahrscheinlich halluziniere ich schon, dachte sie beunruhigt und blickte sich kurz um. Aus dem hell erleuchteten Gebäude, das sie gerade verlassen hatte, drang Gelächter. Julia schauderte bei der Vorstellung, zur Party zurückzukehren und sich wieder mit Nigel auseinandersetzen oder gar Kadens distanzierten und spöttischen Blicken standhalten zu müssen.
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