Julia Extra Band 358
wachsendes Interesse an ihrem Körper auf den Wunsch gegründet war, sich ein möglichst genaues Bild von ihr zu machen.
„Was für eine eigene Erfahrung?“, hakte sie verwundert nach. „Wir begegnen uns doch heute zum ersten Mal.“
„Persönlich schon. Aber ich weiß Bescheid, wie Sie sich verhalten haben, als Sie damals für Ihre Tante einspringen sollten. Sie wollte sich um meine Schwester kümmern und sie in London beaufsichtigen, musste dann aber unerwartet ins Krankenhaus. Und als meine Schwester bei Ihnen angerufen hat, damit Sie aushelfen, habe Sie sich zu Freunden nach New York abgesetzt – obwohl Sie wussten, dass Ihre Tante auf Sie zählte. Wer nicht einmal seine familiären Pflichten erfüllt, ist auch als Angestellter nicht zu gebrauchen.“
In Lauras Kopf entstand ein undurchdringlicher Nebel, als sie versuchte, sich einen Reim auf diese Informationen zu machen. All das hörte sie zum ersten Mal. Niemals wäre es ihr in den Sinn gekommen, ihre Tante im Stich zu lassen, und im ersten Augenblick wollte sie das auch laut sagen. Doch dann kam sie ins Grübeln. Sie hatte gar keinen Anruf von Vasiliis Schwester bekommen. Alena hatte ihren Halbbruder möglicherweise angelogen.
Was war damals geschehen, als ihre Tante ins Krankenhaus gekommen war? Laura überlegte weiter, und ihr fiel ein, dass sie zu Schulzeiten einmal zufällig mit angehörte hatte, wie Alena, die einige Klassen unter ihr war, sich über Vasilii beschwerte. Er wollte ihr nicht erlauben, das Wochenende mit einer Freundin zu verbringen, da er deren Bruder für einen schlechten Einfluss hielt.
Obwohl Laura Mitgefühl mit Alena gehabt hatte, war sie gleichzeitig neidisch gewesen, dass diese einen so fürsorglichen Halbbruder hatte. In Lauras Augen hatte Vasilii zu jener Zeit sowieso nichts falsch machen können. Heute war sie dagegen alt genug, um zu vermuten, dass Alena ihn aus gutem Grund hintergangen hatte. Und da empfand sie fast schon schwesterliche Solidarität. Es wäre äußerst unfair, sie so brutal auffliegen zu lassen.
Warum sollte Laura sich auch rechtfertigen, wenn Vasilii sich ohnehin schon eine Meinung gebildet hatte? Er hielt sie für unmoralisch und unzuverlässig, so oder so.
„Haben Sie nichts zu Ihrer Verteidigung zu sagen?“, erkundigte sich Vasilii.
„Wozu? Offensichtlich steht Ihr Urteil über mich bereits fest.“ Auf keinen Fall wollte sie sich anmerken lassen, wie verzweifelt sie war. „Es ist zwecklos, wenn wir hier unser beider Zeit verschwenden. Sie wollen mich nicht als Ihre Assistentin einstellen.“
„Nein, will ich nicht“, stimmte er ohne zu zögern zu und ließ eine Pause folgen. „Unglücklicherweise habe ich aber keine Wahl. Mein Headhunter hat mir versichert, dass Ihre Referenzen einwandfrei sind, und einen besseren Kandidaten konnte er mir in der Kürze der Zeit nicht präsentieren. Mir bleibt nichts anderes übrig, als meine Zweifel für den Moment beiseitezulassen und Ihnen einen Sechsmonatsvertrag anzubieten. Wenn wir bis dahin die Verhandlungen mit den Chinesen zu meiner Zufriedenheit abgeschlossen haben, erhalten Sie neben Ihrem Lohn noch eine nicht unerhebliche Bonuszahlung.“
Sie hätte viel dafür gegeben, in der Lage zu sein, dieses Angebot jetzt einfach auszuschlagen. Aber natürlich ging das nicht. Vasilii war deutlich anzumerken, wie widerwillig er ihr einen Arbeitsvertrag anbot, und dieser Umstand war zutiefst verletzend. Er hatte kein Recht, sie so herablassend zu behandeln. Ganz sicher würde sie keine überschwängliche Dankbarkeit zeigen.
Kühl hob sie ihr Kinn. „Unglücklicherweise bleibt auch mir keine andere Wahl, als Ihr Angebot anzunehmen, obwohl ich mich nicht darum reiße, ausgerechnet für Sie zu arbeiten.“
Die Feindseligkeit hing knisternd zwischen ihnen in der Luft.
„Um noch eines klarzustellen“, begann Vasilii. „Was immer in Ihrem letzten Arbeitsverhältnis vorgefallen sein mag, unsere Beziehung wird sich auf den rein beruflichen Aspekt beschränken. Eine Frau, die für mich arbeitet, sollte nicht denken, das sei ein Sprungbrett in mein Bett und vor den Altar.“
Zuerst war Laura entsetzt. Wusste er etwa von ihren jugendlichen Gefühlen für ihn? Der Gedanke war grauenhaft! Nein, das konnte er nicht wissen. Niemand konnte das!
„Sie und Ihr Bett sind völlig sicher vor mir“, beruhigte sie ihn trocken, doch dann ging ihr Temperament mit ihr durch. „Offenbar halten Sie sich für einen richtig guten Fang, ich bin da anderer Meinung. Falls
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