Julia Extra Band 358
wesentlich weiter reichen als nur bis zum Abschluss dieses Vertrags mit den Chinesen. Der ist nur Sinnbild für meinen Status und mein geschäftliches Ansehen in China und damit auch für meine berufliche Zukunft. Er wird mir hoffentlich viele Türen öffnen und mir weitere Investitionen im chinesischen Raum ermöglichen. Ich habe eine Liste mit den Verhandlungsteilnehmern, die in Montenegro dabei sein werden. Wenn ich seinem Neffen Glauben schenken darf, plant Wei Wong Zhang, auf einen Großteil seiner üblichen Entourage zu verzichten, um die Gespräche etwas informeller und damit produktiver zu gestalten. Davon verspreche ich mir sehr viel.“
„Chinesen sind wahre Meister der Höflichkeiten und der bewusst eingesetzten Verzögerungstaktik“, bemerkte Laura nachdenklich.
„Genau, das habe ich auch gedacht. Teil Ihrer Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass sie es mit dieser Taktik nicht übertreiben. Und was die Kleidung angeht, beschränken Sie sich bitte auf ein paar Basics. Ich habe schon eine neue Garderobe für Sie bestellt, die an unserem Zielort bereitliegen wird. Mir wäre recht, wenn wir uns morgen gegen halb zwölf hier treffen.“
Vasilii hatte sich schon zum Arbeitstisch umgedreht, bevor Laura überhaupt verstand, was er da sagte. Ihre berufliche Garderobe war also bereits von ihm ausgesucht und bestellt worden? Normalerweise würde Laura sich einen derartigen Übergriff verbitten, aber in diesem Fall musste sie ihren Stolz hinunterschlucken. Es war wichtiger, ihre Tante finanziell zu unterstützen. Sie musste sich nur vor Augen halten, welche Opfer diese gebracht hatte, um sie großzuziehen.
Außerdem war ihr nicht neu, dass ein Arbeitgeber darauf bestand, seine Assistentin für einen Job neu einzukleiden. Üblicherweise bekam man dafür einen Scheck und eine genaue Anweisung, was man sich anschaffen solle. Es war ungewöhnlich, dass ein Mann sich persönlich um die Auswahl kümmerte – und dann ausgerechnet Vasilii! Dieser Gedanke ließ ihre Haut aufregend prickeln.
Ob er sich auch die Mühe gemacht hat, sexy Unterwäsche zu besorgen? überlegte sie verwegen.
Solche Überlegungen waren höchst unangebracht, das musste sie zugeben. Hier ging es ausschließlich um Arbeitsbekleidung! Wahrscheinlich musste sie an Reizwäsche denken, weil sie kürzlich an ein paar erotisch dekorierten Schaufenstern vorbeigegangen war. Einen anderen Grund gab es nicht. Ganz sicher nicht!
„In diesem Ordner finden Sie Informationen über das laufende Projekt, und hier ist Ihr Arbeitsvertrag.“ Vasilii legte die Dokumente vor ihr auf einem Beistelltisch ab.
Es versetzte Laura einen kleinen Stich, dass er direkten Kontakt mit ihr vermied, und sie ärgerte sich zugleich über ihre empfindliche Reaktion. Immerhin wusste sie doch, was er von ihr hielt. Er war nicht der liebestolle weiße Ritter, den sie damals aus ihm gemacht hatte. Und jetzt deswegen enttäuscht zu sein, war wirklich kindisch!
Eilig lenkte sie sich ab, indem sie den Arbeitsvertrag überflog. Wie erwartet, waren die Entlohnung und vor allem die in Aussicht gestellte Bonuszahlung äußerst großzügig und würden ihr nach Ablauf des halben Jahres den benötigten finanziellen Spielraum verschaffen.
Dafür zahle ich auch einen hohen Preis, dachte Laura missmutig. Leider kann ich mir nicht leisten, wählerisch zu sein. Also, Augen zu und durch!
Sie griff in ihre Handtasche und holte den kostbaren Füller hervor, den John ihr nach dem ersten gemeinsamen Arbeitsjahr geschenkt hatte. Der Stift trug eine Gravur mit ihrem Namen, und für Laura war er Sinnbild ihrer fachlichen Kompetenz.
Der gute alte John! Trotz allem war er ein wunderbarer Mann. Er fand ganz schrecklich, was geschehen war. Obwohl Laura den Eindruck hatte, dass er sich durch die maßlose Eifersucht seiner Verlobten auch geschmeichelt gefühlt hatte.
Nachdem der Vertrag unterschrieben war, legte Laura ihn zurück auf den Beistelltisch und nahm die übrigen Unterlagen an sich.
„Ich bin dann also morgen um halb zwölf hier im Hotel?“
„Genau. Wir fliegen mit einem Privatjet. Während des Flugs können wir dann die letzten Fragen bezüglich der anstehenden Verhandlungen klären.“
Mehr gab es nicht zu sagen. Laura verstaute den schmalen Ordner in ihrer Umhängetasche und wandte sich zum Gehen.
Sie hatte einiges zu tun, bevor sie sich morgen auf dem Flug Vasiliis Fragen stellen konnte. Trotzdem machte ihr auf dem Heimweg nicht die bevorstehende berufliche Aufgabe zu schaffen,
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