Julia Extra Band 359
Augen. Selbst im Dämmerlicht bemerkte sie das Verlangen darin. Doch dann schüttelte er schlaftrunken den Kopf, sah seine Hand auf ihrer Brust … und zog sie hastig weg. „Es tut mir leid …“, murmelte er. „Ich muss wohl geträumt haben. Ich wollte dich nicht so überfallen.“ Verwirrt fügte er hinzu: „Wie komme ich überhaupt aufs Bett?“
Ihr Verlangen verpuffte. „Ich bin aufgewacht und dachte, dass du frierst. Da hab ich dich irgendwie zu mir rübergezogen.“ Von wem er wohl geträumt hatte … immerhin hatte er ihren Namen gemurmelt. „Schon gut. Nimm die Decke und schlaf weiter.“
„Amber …“
„Nicht“, unterbrach sie ihn scharf.
Jetzt bloß keine tröstenden Worte, das ertrage ich nicht.
Sie drehte sich zur Seite, um ihn ihre Demütigung nicht merken zu lassen. „Gute Nacht.“
Am nächsten Nachmittag
Gleich würde er sie aufs Bett werfen und sie lieben, hungrig, unersättlich …
Seit letzter Nacht konnte Harun sich kaum noch beherrschen. Er meinte, vor Verlangen verrückt zu werden. Unter einer Decke mit Amber hatte er nur so getan, als ob er schlief, um sie nicht zu stören. Vor unerfüllter Lust hatte sein Körper geradezu geschmerzt. Dann irgendwann, in der verzweifelten Hoffnung, es würde ihr genauso gehen, hatte er sich zu ihr herumgewälzt, um ihrer beider Sehnsucht zu stillen. Doch ihre ruhigen, gleichmäßigen Atemzüge hatten ihn ernüchtert. Amber schlief tief und fest.
Ruhelos hatte er sich auf die andere Seite gedreht, seinen verwirrenden Gedanken und Gefühlen hilflos ausgeliefert. Dass er Amber fast zum Weinen gebracht hatte, als er sich vorhin von ihr gelöst hatte, war wie eine Offenbarung gewesen. Drei lange, öde Jahre hatte er geglaubt, dass sie nichts weiter als Verachtung und Abscheu für ihn empfand.
Und jetzt, nach nur einem Tag in diesem Gefängnis, war alles anders. Ein wahres Kaleidoskop an Gefühlen hatte sie ihm zu Füßen gelegt: Interesse, Mitgefühl, Freundschaft … und Verlangen. Er war kurz davor gewesen, sich einfach fallen zu lassen und seinem Hunger nach dieser Frau nachzugeben. Nur das Bewusstsein, dass sie vermutlich beobachtet wurden, hatte ihn zurückgehalten.
Außerdem … wie könnte er das Leben seines Bruders aufs Spiel setzen?
Ihr persönliches Glück gegen Alims Leben – darauf lief es hinaus. Wenn er nur wüsste, ob sein Bruder in Sicherheit war … Wäre er jetzt allein mit Amber, dann würde er nur zu gern tun, was die Entführer möglicherweise von ihnen erwarteten. Nun, da er wusste, dass Amber ihn ebenfalls wollte.
Dass er sie gestern Nacht wieder hatte abblitzen lassen, war ihm bewusst. Und mit seiner Entschuldigung hatte er alles nur noch schlimmer gemacht. Nachdem sie fast den ganzen folgenden Tag kaum ein Wort miteinander gewechselt hatten, versuchte Harun es noch einmal. „Letzte Nacht habe ich mich wirklich wie ein Esel benommen, Amber.“
Ein kühler Blick streifte ihn. „Du hast dich bereits entschuldigt, was übrigens gar nicht nötig war. Schließlich hast du ja nur geträumt, nicht wahr? Und für seine Träume kann niemand etwas.“ Obwohl sie sich nach außen hin kühl gab, brodelte es in ihr, das verrieten ihre blitzenden Augen.
„Wir müssen davon ausgehen, dass wir beobachtet werden. Ich will kein Publikum, wenn wir das erste Mal miteinander schlafen.“
„Das sind ja ganz schön gewagte Schlussfolgerungen von dir“, versetzte sie spitz.
„Was meinst du? Dass wir miteinander schlafen? Oder dass du mir meine Zurückweisung verzeihst?“
„Beides. Ganz besonders Letzteres. Ist dir eigentlich bewusst, wie sehr du mich damit gedemütigt hast, auch in der Öffentlichkeit?“
„Beruht es denn nicht auf Gegenseitigkeit? Ich dachte, du willst mich nicht. Und du dachtest, ich will dich nicht. Wenn wir nur versucht hätten, miteinander zu reden …“
Ihr Blick schien ihn förmlich zu durchbohren. „Wir? Hast du eben wirklich ‚wir‘ gesagt?“
Er hob beide Hände. „Schon gut, ich war es, der jedem Gespräch ausgewichen ist. Aber ich dachte ja auch die ganze Zeit, dass du in meinen Bruder verliebt wärst.“
Sie schien über seine Worte nachzudenken, setzte gerade zu einer Antwort an: „Vielleicht …“
In diesem Moment rasselte es an der Tür, und sie wurde geöffnet. Mit einem leisen Schrei sprang Amber von ihrem Platz am Fenster auf und lief zu Harun hinüber, der am Tisch gestanden hatte. „Er hat das Gewehr auf mich gerichtet“, wisperte sie, am ganzen Körper zitternd. „Und dann
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