Julia Extra Band 359
kommen hier nie raus.“ Sie unterdrückte ein Schluchzen.
„Nicht aus eigener Kraft“, bestätigte Harun grimmig.
Forschend blickte sie zu ihm hoch. „Du klingst so komisch. Was verheimlichst du mir?“ Als er beharrlich schwieg, drängte sie: „Glaub mir, ich kann die Wahrheit vertragen.“
Nach einem Moment, der ihr wie eine Ewigkeit vorkam, sagte er tonlos: „Inzwischen bin ich fast davon überzeugt, dass dein Vater uns hat entführen lassen.“
„Was?“ Dieser Verdacht traf sie so unerwartet, dass sie sich vor Schreck verschluckte und keuchend nach Luft rang. Als sie wieder normal atmen konnte, funkelte sie Harun böse an. „Warum um alles in der Welt sollte er so etwas tun? Was hätte er davon oder unser Land? Wie kannst du so etwas überhaupt denken! Meinem Vater eine solche Gemeinheit zu unterstellen …“
Harun erwiderte ihren Blick auf jene nüchterne, kühle Art, die sie immer mehr verabscheute. „Ich verstehe deine Entrüstung, und du hast bereits die richtige Frage gestellt. Warum sollte ein Vater seine eigene Tochter entführen lassen? Wenn du dir diese Frage ganz emotionslos beantwortest, dann ergibt die ganze Sache plötzlich Sinn: Warum anscheinend keine Lösegeldforderung ausgesprochen wurde … Warum man uns in dieser Kleidung zusammen in diesen Raum gesperrt hat und weshalb man uns so gut wie die ganze Zeit allein lässt. Dein Vater weiß doch Bescheid, wie es um unsere Ehe steht. Der von allen herbeigesehnte Erbe lässt auf sich warten. Wahrscheinlich hat er genug und will diesen Zustand auf seine Art beenden.“
Eindringlich fuhr Harun fort: „Er hat keinen Sohn, und du bist seine älteste Tochter. Er braucht einen Enkel, einen Erben. Und den will er von dir.“
So ungern Amber es eingestand, war ihrem Vater eine solche Aktion durchaus zuzutrauen. Er war daran gewöhnt, Menschen zu manipulieren, um seine Ziele zu erreichen. Und als typischer arabischer Scheich wünschte er sich natürlich einen männlichen Nachkommen.
„Falls du recht hast, und davon bin ich noch längst nicht überzeugt, werde ich ihm das nie, nie verzeihen.“ Entrüstet sprang sie auf. „Hat er mir nicht schon genug angetan? Hat mich in ein fremdes Land verschachert, von einem unwilligen Mann zum nächsten! Kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen?“
Von ihrem Ausbruch erschöpft, ließ sie sich wieder auf den Boden sinken. „Oh, wie ich das hasse! Warum kann er mich nicht endlich mein eigenes Leben leben lassen?“
In Haruns Blick lag eine tiefe Traurigkeit. „Ich weiß es nicht, Amber. Ich bin wirklich kein Experte, was Familienangelegenheiten betrifft. Ich kann mich ja kaum an meine eigenen Eltern erinnern.“
Als er sich zu ihr auf den Boden hockte, fühlte sie sich gleich viel weniger verlassen. Ganz selbstverständlich legte sie den Kopf an seine Schulter.
„Vergessen wir das besser wieder.“ Harun zog sie an sich. „Wahrscheinlich irre ich mich sowieso.“
„Ich fürchte, nein. Es klingt einfach zu logisch.“
„Da gibt es noch die anderen Möglichkeiten, vergiss das nicht.“
Sie nickte stumm.
„Falls man uns erst freilassen will, sobald du schwanger bist, bleibt uns nichts anderes übrig, als zu kooperieren.“
Ein kalter Schauder überlief sie. „Was, wenn wir uns täuschen? Setzen wir damit nicht Alims Leben aufs Spiel?“
„Nur, falls man ihn ebenfalls entführt hat. Und das wissen wir nicht.“ Sein Blick verhärtete sich. „Ich kann so nicht weitermachen, Amber. Alleinverantwortlich für die Ehre der Familie, die Ehre des Landes. Und Alim? Wie oft hat er sein Land und seine Familie schon im Stich gelassen? Jetzt ist er auch nur einer Frau zuliebe zurückgekommen. Seit dreizehn Jahren tue ich nun schon alles für ihn. Höchste Zeit, endlich an mich zu denken. Zu tun, was ich möchte.“
Sanft fragte sie: „Und jetzt möchtest du mich?“
„Ja, mein Juwel.“
Zärtlich sah er ihr in die Augen, als er mit dem Mund ganz sachte über ihren strich.
Das genügte, um in ihr eine wahre Lawine an Gefühlen freizusetzen. Ja, dies war der Mann, den sie wollte, ihr Mann. Leise seufzend schmiegte sie sich in seine Arme und presste die Lippen verlangend auf seine, schob die Finger der einen Hand in sein Haar, während sie mit der anderen Hand seinen Rücken streichelte. Der Kuss wurde immer intensiver, leidenschaftlicher, bis sie schließlich eng umschlungen auf dem Boden lagen. Haruns Erregung zu spüren ließ Amber vor Verlangen aufstöhnen.
Irgendwann löste er sich
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